JEFF SESSIONS
Der Republikaner glaubt, dass staatliches Eingreifen in die Wirtschaft mehr schadet als nutzt und plädiert für niedrige Steuern
Wie stehen die Chancen der Republikaner bei der Wahl?
Es ist ein schwieriges Jahr für uns. Die Bürger sind beunruhigt über den Kurs unseres Landes. Die steigenden Energiepreise verstärken das noch. Langfristig machen sich die Menschen auch Sorgen um ihre Altersversorgung. Präsident Bush hat darum gekämpft, unser System der "Social Security" zukunftsfest zu machen, aber der Kongress hat der Reform nicht zugestimmt. Wie gefährdet das System ist, wird den Leuten jetzt bewusst, seit sie sich weniger Gedanken über den Irakkrieg machen. Dort hat sich die Lage gebessert.
Welche Rolle spielen in Ihrem Staat Alabama die Verwüstungen, die der Hurrikan "Katrina" 2005 angerichtet hat?
Gott sei Dank war nur die Küstenregion hart betroffen. Der Wiederaufbau dauert für mein Gefühl zu lange. Aber der Großteil des Staates kommt voran. Unsere Arbeitslosenquote liegt ein Prozent unter dem US-Durchschnitt, auch dank vieler ausländischer Investitionen, ein Großteil davon aus Deutschland. Das Mercedes-Werk in Tuscaloosa schenkt uns seit Jahren mehrere Tausend Jobs. Thyssen-Krupp ist präsent. Das neue VW-Werk geht zwar nach Tennessee, aber so nah an der Grenze zu Alabama, dass viele Zulieferer sich hoffentlich bei uns ansiedeln.
Die internationalen Verflechtungen nehmen in Politik und Wirtschaft zu. Verstärkt oder vermindert das die Rolle nationaler Parlamente?
Die Volksvertreter müssen immer mehr über die ökonomischen Abhängigkeiten wissen. Andererseits besteht das Risiko, dass gewählte Parlamentarier sich mehr nach lokalen Interessen richten als die Regierungen. Präsident Bush und zum Großteil auch Präsident Clinton haben eine gute, liberale Handelspolitik verfolgt. Aber die Bürger erwarten, dass wir ihre Interessen verteidigen. Sie wählen keinen Präsidenten für die Welt, sondern den Präsidenten der USA.
In der öffentlichen Wahrnehmung spielen die Regierungen international die erste Geige, nicht die Parlamente.
Der Kongress muss alle Handelsverträge absegnen. Das Unbehagen über unser hohes Handelsdefizit wächst. Mit den rasch steigenden Preisen für importierte Energie steigt es weiter. Die Bürger erwarten, dass wir etwas tun, vor allem gegen die Staaten, die fairen Handel verhindern. Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, massenhaft aus Ländern zu importieren, die umgekehrt hohe Barrieren für unsere Waren errichten.
Es läuft ein harter Wettbewerb zwischen Boeing und einem europäischen Konsortium aus EADS und Northrop um einen Milliardenauftrag der Airforce für Tankflugzeuge. Was kann der Kongress tun, damit das Verfahren fair verläuft?
Abgeordnete sollten alles vermeiden, was nach politischer Einflussnahme aussieht. Die Entscheidung muss zugunsten des besseren Produkts fallen. Boeing hatte versucht, den Auftrag ohne Konkurrenzangebote zu bekommen. Der Kongress hat per Gesetz eine Ausschreibung durchgesetzt. Zwei Interessenten haben Angebote gemacht. Und zur großen Überraschung vieler Beobachter bekam EADS/Northrop den Auftrag. Ich glaube, weil sie das bessere Produkt haben. Dann legte Boeing Protest gegen das Vergabeverfahren ein. In der Kommission, die das untersucht, sitzen Juristen, nicht Ingenieure. Sie haben acht Verfahrensfehler beanstandet. Verteidigungsminister Gates hat den Prozess an sich gezogen. Ich vertraue auf sein Wort, dass allein nach Sacherwägungen entschieden wird. Manche Abgeordnete ergreifen laut Partei für Boeing. Das muss man verstehen - schließlich hat Boeing die erste Etappe verloren. Soweit ich mich informiert habe, bietet EADS das bessere Flugzeug.
Manche Ihrer Kollegen sagen, es sei eine Frage der nationalen Sicherheit, ein amerikanisches Flugzeug zu kaufen. Andere Nato-Länder kaufen US-Rüstungsgüter, ohne zu behaupten, dass dies ihre nationale Sicherheit beeinträchtigt.
Es gibt in den USA zwar eine Klausel, dass US-Anbieter bevorzugt werden sollen, aber die gilt nicht gegenüber Nato-Partnern. Die USA haben sich verpflichtet, ihre europäischen Verbündeten mit all ihrer Macht ganz genauso zu verteidigen wie Florida.Sie geben das meiste Geld für die Verteidigung des Westens aus. Deshalb würden manche gern diesen Auftrag im Land halten.
Dann ist es eine Frage der Arbeitsplätze als der Sicherheit, ob Boeing oder EADS/Northrop die Flugzeuge liefert?
Das stimmt. Und es geht hier auch nicht darum, ob die USA vielleicht ihrerseits ein hochmodernes Kampfflugzeug nicht ins Ausland verkaufen wollen, um keine technischen Geheimnisse preiszugeben. Ich meine, beim Tankflugzeug ist Wettbewerb nützlich.
In Europa fürchten manche, dass die USA protektionistischer werden, wenn die Demokraten an die Macht kommen.
Das ist zweifellos so. Barack Obama und Hillary Clinton äußern offen Zweifel am Freihandel. Die republikanischen Präsidenten haben den Freihandel stets verteidigt, auch gegen innenpolitische Opposition. Die USA sind der kaufkräftigste Markt. Er zieht auch Anbieter an, die keinen fairen Handelsaustausch wollen. Das ärgert hier viele. Dennoch hat sich John McCain nie gescheut, öffentlich für den Freihandel einzutreten.
Das "National Journal" hat Sie nach Ihrem Abstimmungsverhalten als den fünftkonservativsten Senator eingestuft. Sie lehnen das Recht auf Abtreibung ab und eine Immigrationsreform, die Illegalen einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft öffnet. Sie wollen die CIA vom Folterverbot ausnehmen...
... einen Moment, nicht generell. Folter ist bei uns grundsätzlich verboten, daran muss sich die CIA genauso halten wie die Armee. Der Streit ging um Folgendes: Reguläre Kriegsgefangene stehen unter dem Schutz der Genfer Konventionen. Irreguläre Kämpfer stellen sich selbst außerhalb des Kriegsrechts und haben deshalb auch keinen Anspruch auf Schutz. Dennoch gibt unsere Armee selbst solchen illegalen Kämpfern den Schutz, wenn sie in Gefangenschaft geraten. Nur beim Verhör wichtiger Terrorverdächtiger darf die CIA härtere Methoden anwenden wie Schlafentzug, Einzelhaft oder schmerzhafte Körperhaltungen. Das Folterverbot gilt dagegen immer. Reguläre Kriegsgefangene darf man im Übrigen nicht einmal befragen.
Sind Sie stolz auf die Einstufung? Sie wollen auch den arktischen Nationalpark für Erdölförderung öffnen...
Klar bin ich stolz darauf. Ich bin ein Konservativer im Sinne eines klassischen europäischen Liberalen: freie Märkte, freier Handel, möglichst wenig Eingreifen der Regierung in Wirtschaft und Privatleben, denn meist richtet sie damit mehr Schaden als Nutzen an. Ich bin für möglichst niedrige Steuern. Und was die Ölförderung in der Arktis angeht: Das betrifft einen winzigen Teil einer riesigen Landmasse. Es ist vergleichbar dem Bohren vor der Nordseeküste oder im Persischen Golf. Ist das nicht besser, wenn wir auf US-Gebiet fördern, als das Öl in der ganzen Welt aufzukaufen?
Weltweit sinkt das Ansehen der Parlamente. Der US-Kongress ist bei den Bürgern noch weniger beliebt als der unpopuläre Präsident Bush. Warum?
Die Öffentlichkeit nimmt uns als zu parteiisch wahr - ich meine, zu Recht. Die Lager verwenden zu viel Energie darauf, die Ziele des Gegners zu blockieren. Die Bürger wollen, dass wir Probleme lösen und nicht Parteiinteressen vertreten. Barack Obama und andere Demokraten blockieren die Ölförderung, die wir so dringend brauchen.
Das Interview führte Christoph von Marschall.
Jeff Sessions (61) sitzt seit 1997 für den Bundesstaat Alabama im US-Senat. Der Republikaner ist unter anderem Mitglied des Haushalts- und des Verteidigungs- ausschusses. Vor seiner Wahl in den Senat war Sessions Justizminister seines Heimatstaates. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.