Barack Obama
Zwei Biografien aus deutschen Federn
Der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten ist so spannend wie lange nicht, und Barack Obama ist sicherlich die interessanteste Persönlichkeit - sowohl aus amerikanischer als auch aus europäischer Sicht. Der Senator aus Illinois, der für die Demokraten ins Rennen um die Präsidentschaft geht, misst Europa eine ganz andere Bedeutung bei, als dies der amtierende republikanische Präsident George W. Bush getan hat. Das zeigte Obamas Anliegen, seine politische Botschaft demonstrativ in Berlin zu verkünden. Seine flammenden Reden über ein neues Amerika stürzen die US-Bürger immer wieder in einen Rausch der Begeisterung. Noch bevor der Senkrechtstarter ein politisches Mandat in Washington hatte, wurde schon spekuliert, er könne einmal Präsident werden.
Zwei bemerkenswerte Bücher über das Phä-nomen Obama offeriert der deutsche Markt, von Autoren, die das politische Geschehen in den USA seit Jahren als Zeitungskorrespon-denten verfolgen. Markus Günther reduziert sein Buch "Barack Obama. Amerikas neue Hoffnung" bescheiden auf "die hastig auf-geschriebenen Notizen eines Reporters im amerikanischen Vorwahlkampf". Zu Un-recht, denn Günther hat nicht nur die viel-schichtige Persönlichkeit Obamas bei sei-nen öffentlichen Auftritten beobachtet, er geht auch sauber recherchierend der Frage nach, wie sich Obama in kurzer Zeit landes-weit einen Namen als engagierter Streiter gegen mannigfache soziale Ungerechtig-keiten im Amerika der unbegrenzten Wi-dersprüche machen konnte.
Christoph von Marschall, Washingtoner Korrespondent des Berliner "Tagesspiegel," hat mit dem Buch "Barack Obama. Der schwarze Kennedy" vorgelegt, was im un-mittelbaren Vergleich zu Günther gelegentlich zu Irritationen führt, weil von Mar-schall stellenweise über Ereignisse berichtet, die von der Entwicklung überholt sind. Eine aktualisierte Ausgabe ist jedoch bereits geplant. Baut Günther immer wieder fesselnd geschriebene Reportage-Elemente ein, so liegt die Stärke seines Kollegen in der analytischen Beschreibung und Deutung. An Obama wird sich zeigen - da sind sich beide Autoren einig -, ob die Amerikaner wirklich den Wandel des politischen Klimas und der Politik wollen. Und ob sie Obamas Vision von einem "goldenen Zeitalter" folgen, in dem Demokraten und Republikaner ihre ideologischen Grabenkämpfe beenden.
Die Lektüre der beiden Bücher erzwingt den Schluss, die USA seien reif für neue Männer und Frauen an der Spitze des Landes. Von Marschall hat den Kennedy-Vergleich gewagt: auch diesem war ja zugute gekommen, dass er einen neuen Stil und eine neue Ära versprochen hatte, in der die Politik nicht mehr den alten Regeln gehorchen sollte.
Fehlt es Obama auch an Erfahrung auf der internationalen Bühne, so bringt er eine andere Lebenserfahrung mit: seine multikulturelle Abstammung, Kindheit und Jugend auf verschiedenen Kontinenten, seine Alltagserlebnisse in den schwarzen Slums, an der Eliteuniversität von Harvard, im Parlament von Illinois und als Professor für Verfassungsrecht in Chicago.
Zwangsläufig ergeben sich eine Reihe von Parallelen in den beiden Biografien. Religion und Rasse stehen dabei im Vordergrund und werden immer wieder thematisiert. Beide Autoren beschäftigen sich eingehend mit der zunächst wie ein Tabu behandelten Hautfarbe des afroamerikanischen Politikers mit der komplexen Herkunftsgeschichte. Ebenso intensiv wird die Religionsfrage erörtert, die in einigen US-Bundesstaaten noch wichtiger ist als der Irak-Krieg. Und natürlich wird von beiden Journalisten Obamas ganz persönliches Verhältnis zur Kirche hinterfragt. Seine Erfahrungen als Sozialarbeiter in Chicagos Armenvierteln halfen ihm, seinen eigenen Glauben zu finden und sich schließlich taufen zu lassen.
Nach all seinen Identitätskrisen ist Obama auf starke Stützen angewiesen, vor allem wenn es darum geht, von Schwarzen als Schwarzer akzeptiert zu werden. Zu diesen Stützen gehörte Pastor Jeremiah Wright, dessen Kirche in Chicago zur Bastion und zu einem Zufluchtsort einer neuen schwarzen Aufsteigerklasse geworden ist. Wright hat Obama mit seinen Predigten inspiriert, bis hin zu der durch Obamas Buch legendär gewordenen Predigt unter dem Schlachtruf "Das Wagnis der Hoffnung".
Welche Bedeutung hat die Hautfarbe des Kandidaten in diesem Wahlkampf, in dem die Konkurrentin Hillary Clinton inzwi-schen zurückstecken musste? "Vielleicht ist man schon in die gedankliche Falle gelaufen, wenn man sich erst einmal auf diese Debatte einlässt," überlegt Markus Günther - wahrscheinlich sei Amerika nur in dem Maße für den ersten schwarzen Präsidenten bereit, in dem es auch in der Lage sei, die Fortsetzung der alten Debatten über Schwarz und Weiß ganz einfach zu verweigern. Aber soweit sind die USA noch nicht, denn eine solche Haltung hieße ja, über der Rassenfrage zu stehen und einen Kandidaten wie Obama einfach zu akzeptieren.
Dem aufstrebenden Politiker scheint es im Verlauf des Vorwahlkampfes immer wichtiger geworden zu sein, wie ein authentischer schwarzer Kandidat zu wirken. Wäre die soziale und ethnische Identität allein eine Frage der Hautfarbe, meint Günther, dann könnte man sagen, dass Obama in diesem Kräfte zehrenden Wahlkampf gleichsam noch dunkler geworden sei. Immer wieder auch gab es rassistische Seitenhiebe, so als ausgerechnet Senator Joe Biden im Vorahlkampf sagte, Obama sei "sauber" und könne sich "auch flüssig ausdrücken". Auch andere Anspielungen machten deutlich, dass dem Wahlkampf schon sehr früh ein "Hauch von Rassismus" anhaftete.
Diese Passagen finden sich ähnlich und auch in nahezu gleicher Interpretation bei von Marschall. Dabei war und ist es keineswegs so, als wenn die Schwarzen sich wie ein Mann hinter Obama stellen würden. Obama leide besonders darunter, registriert Günther, wenn ihm vorgeworfen werde, er zeige im Wahlkampf "ein Benehmen wie ein Weißer". Schwarze Parteifreunde, die ihm vorwerfen, sich mit den Weißen gemein zu machen, weiße Parteifreunde, die ihm vorwerfen, einen medialen Schwarzen-Bonus zu kassieren - auf diesem Niveau bewegen sich zum Teil die Debatten bei den Demokraten.
Christoph von Marschall kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wenn er die Standortsuche Obamas beschreibt. Die Weißen mö-gen ihn, weil er ein Übermaß an Selbstmitleid und Opferhaltung der Afroamerikaner kritisiert und ihnen mehr eigenes Bemühen abverlangt. Das wiederum kostet Obama Sympathien bei der schwarzen Wählerschaft. Dennoch verspricht er ihr, dass nur er als Schwarzer die wichtigen Südstaaten für die Demokraten zurückgewinnen kann.
Obamas immer wiederkehrender Appell lautet: "Lasst uns diese schwierige Arbeit gemeinsam angehen." Das ist Politik als Vision, Rhetorik als Gemeinschaftserlebnis. Es scheint das zu sein, was die Menschen brauchen, nachdem die Bush-Regierung viel Vertrauen verspielt hat und bis heute nicht zugeben will, dass der Krieg im Irak "ein tragischer Fehler" (Obama) ist. Der Irak ist das beherrschende Thema der amerikanischen Politik, und Obamas Anziehungskraft hat viel damit zu tun, dass er als Kandidat, der immer gegen den Krieg war, besonders glaubwürdig ist. Alle anderen Themen wie Gesundheit, soziale Gerechtigkeit, Umwelt und Energiepolitik, treten dagegen in den Hintergrund.
Während Günther Reportage-Elementen viel Raum gibt, widmet sich sein Kollege ausführlich ebenso dem Feld der Bewerber auf demokratischer wie republikanischer Seite. Auch wenn dies mit Obamas Biografie unmittelbar wenig zu tun hat, so stellt es den Hoffnungsträger doch in ein weites, hierzulande weitgehend unbekanntes Raster.
Barack Obama: Amerikas neue Hoffnung.
Wißner-Verlag, Augsburg 2008, 198 S., 16,80 ¤
Barack Obama. Der schwarze Kennedy.
Orell Füssli Verlag, Zürich 2008; 222 S., 24,90 ¤