BKA-Gesetz
Die Opposition spricht von »Monsterbehörde« und empört damit die Koalitionsfraktionen
Wofür der ganze Aufstand?" Mit dieser Frage der innenpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, während der Debatte über das neue BKA-Gesetz am 12. November lässt sich die wichtigste innenpolitische Debatte der vergangenen Woche zwar überschreiben. Nur eine Antwort ist noch nicht gefunden. Zweifellos, der Aufstand aller Beteiligten war groß und hatte eigentlich nur ein Ziel: die Verteidigung des Rechtsstaats. Doch ob das nun verabschiedete Gesetz, das dem Bundeskriminalamt (BKA) erstmals in seiner Geschichte nicht nur repressive, sondern auch umfangreiche präventive Aufgaben zuweist, diesem Ziel schadet oder es verteidigt, ist noch längst nicht geklärt. Schon kündigten mehrere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Baden-Württemberg und Berlin, an, im Bundesrat gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Und bereits Tage vor seiner Verabschiedung am 12. November machten die FDP und die Grünen klar, das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.
Die Koalitionsfraktionen konnten naturgemäß den "ganzen Aufstand" der Opposition und von Journalisten- und Ärztevertretern nicht nachvollziehen, waren aber letztlich gezwungen, ihn mitzumachen, indem sie sich ihm entgegenstemmten. So sehr, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) gleich in den ersten drei Sätzen seiner Rede zwei Mal den Begriff des "freiheitlich verfassten Rechtsstaats" bemühen musste. Energisch verwahrte er sich kurz darauf gegen eine "Diffamierungskampagne", die diesem "freiheitlichen Verfassungsstaat" nicht angemessen sei. Denn, so Schäuble, "Freiheit und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille, und dieses Gesetz wird dem gerecht". Man dürfe dem BKA zur Abwehr des internationalen Terrorismus nicht weniger Befugnisse zugestehen, als sie jede Landesbehörde habe. "Wir reagieren auf neue technologische Entwicklungen - mit dem Ziel der Bewahrung unserer Grundrechte."
Konkret heißt das: Das BKA darf präventiv tätig werden, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht. Am umstrittensten ist dabei das Recht der Online-Durchsuchung privater Computer. Unter bestimmten Voraussetzungen darf das BKA "Daten aus informationstechnischen Systemen" erheben, um "terroristische Gefahren abzuwehren und entsprechende Straftaten zu verhüten".
Anders als von der Union ursprünglich gefordert, ist es dem BKA aber nicht gestattet, in die Wohnung eines Verdächtigen einzudringen, um auf dessen Computer eine Spionage-Software zu installieren. Die Online-Durchsuchung, die zunächst bis 2020 befristet wird, muss außerdem durch einen Richter angeordnet werden. Wenn dann schließlich Daten erhoben werden, müssen zwei BKA-Beamte und der BKA-Datenschutzbeauftragte sicherstellen, dass der Kernbereich privater Lebensführung nicht verletzt wurde. In dringenden Fällen kann das BKA aber zunächst ohne Richterbeschluss Computer durchsuchen, muss dann aber hinterher eine richterliche Genehmigung einholen. Umstritten ist ebenfalls die akustische und optische Wohnraumüberwachung. Hier sieht das Gesetz vor, dass BKA-Ermittler bei der Beobachtung von Wohnungen in Kauf nehmen dürfen, dass auch Unbeteiligte ausgespäht werden.
Was für Innenminister Schäuble also der Verteidigung des Rechtsstaates dient, bedeutet für die Opposition genau das Gegenteil, nämlich die Verletzung von Bürgerrechten: Das Gesetz sei geprägt von einer "generellen Geringschätzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung", stellte etwa Gisela Piltz fest.
Sowohl die Grünen wie auch die Linken kritisierten die Kontrollmechanismen durch BKA-Beamte bei der Online-Durchsuchung: "Hier kontrolliert, wer das Gesetz selbst gemacht hat", sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Und auch der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland stellte fest: "Kein Mensch kann sich selber kontrollieren."
Dass die Opposition ihre Kritik auch deutlicher formulieren konnte, bewies sie im Hinblick auf die Bündelung von Kompetenzen im BKA. Von "Monsterbehörde" oder "deutschem FBI" war während der Debatte öfter die Rede.
Kritik kam nicht nur aus dem Parlament. Ärzte- und Journalistenverbände protestierten vor allem gegen das eingeschränkte Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten, Ärzte und Rechtsanwälte. Ein vertraulicher Umgang mit Informationen sei für sie Arbeitsgrundlage. Solche Vorwürfe konnten Dieter Wiefelspütz, den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, nicht beunruhigen: "Deutschland ist der qualifizierteste Rechtsstaat weltweit."