CDU-Parteitag
Politik muss nach Meinung von Kanzlerin Merkel globale Antworten auf die Krise finden. Davon auch die Delegierten zu überzeugen, ist gerade in Wahljahren nicht immer leicht
In der Finanz- und Wirtschaftskrise ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von international renommierten Fachleuten umgeben. Zumindest rhetorisch holte sie sich auf dem 22. Parteitag der CDU vom 30. November bis 2. Dezember in Stuttgart aber Rat vor Ort. Auf die Frage, warum die weltweiten Märkte vor dem Kollaps stünden, verwies Merkel in ihrer Grundsatzrede auf eine besondere Expertin: Die schwäbische Hausfrau. Die hätte man einmal zur Krise befragen sollen. "Sie hätte uns eine kurze wie wichtige Lebensweisheit gesagt, die da lautet: "Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben." Von der schwäbischen Scholle kam die Kanzlerin in ihrer Parteitagsrede schon bald auf das globale Dorf zu sprechen. Noch nie habe man so unmittelbar erfahren, wie sehr die Wirtschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene vernetzt sei. Erst, wenn man dies erkenne, könne man die Krise auch überwinden. Ruhig, fast gedämpft und mit - für einen Parteitag unüblichen - leisen Tönen sprach die Kanzlerin zu den Delegierten, wie ein Arzt, der seinem Patienten eine schwere Diagnose erklären muss. Weder versprach sie schnelle Heilung noch wollte sie gleich den Rezeptblock zücken: Hastigen Steuersenkungen hatte sie schon vor dem Parteitag eine klare Absage erteilt.
Merkel setzt auf Zeit. In ihrer Rede erklärte die CDU-Parteivorsitzende, "alle Optionen" offen lassen zu wollen. An einem "Überbietungswettbewerb von immer neuen Vorschlägen, an einem sinnlosen Wettbewerb um Milliarden" werde sich die CDU nicht beteiligen, sagte sie. Ihr Mittel gegen die Krise: die Idee der sozialen Marktwirtschaft, die sie zur Überwindung der Krise zu einem "weltweiten Exportschlager" machen möchte.
Angesichts konkreter Probleme wie Kurzarbeit oder Kündigungswellen vor der eigenen Haustür ist es fraglich, wie viele der rund 1.000 Delegierten der Kanzlerin in ihren globalen Überlegungen folgen wollten. Fünf Minuten lang quittierten die Delegierten ihre Rede mit bravem Applaus. Während einige von ihnen, wie der frühere Fraktionschef Friedrich Merz, nach der Rede Merkels für schnelle Entlastungen der Steuerzahler eintraten, traf die Kanzlerin nach Meinung anderer CDU-Mitglieder für den Umgang mit der Krise den richtigen Ton: "Es war nicht diese-Haudrauf-Rede, sondern sie war der schwierigen Situation angemessen", sagte Eva Klamt, Delegierte aus dem niedersächsischen Gifhorn. "Sie hat gezeigt, dass sie in der Krise verantwortlich handelt, nicht nur in Momentreaktionen, sondern vorausschauend. Das wird honoriert."
Genau das taten die Delegierten dann auch. Mit 94,83 Prozent - einem besseren Ergebnis als vor zwei Jahren - wählten sie die Delegierten zum fünften Mal zur Parteivorsitzenden. Ein wichtiges Signal der Partei für das Superwahljahr 2009. Ihre vier Stellvertreter wurden ebenfalls in ihren Ämtern bestätigt. Roland Koch (CDU) erhielt mit 88,76 Prozent wenige Wochen vor der Neuwahl in Hessen ebenfalls ein weit besseres Ergebnis als vor zwei Jahren.
Um messbare Ergebnisse ging es auch beim Antrag zum Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz. "Können wir uns Klimaschutz in den Zeiten der Finanzkrise überhaupt noch leisten?" fragte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, der den Antrag vorstellte. "Das künstliche Ausspielen von Ökonomie und Ökologie", passe nicht mehr in unsere Zeit, beantwortete er die eigene Frage.
Die meisten in dem Antrag formulierten Ziele, beispielsweise für den Ausstoß von CO2 und den Anteil erneuerbarer Energien enthalten allerdings keine neuen Forderungen, sondern sind bereits seit längerem in der "politischen Pipeline". Dass es nicht leicht ist, für die im Antrag formulierten, globalen Ziele, eine Mehrheit zu finden, zeigte exemplarisch einer der rund 1.000 zu dem Antrag eingebrachten Änderungsanträge: So forderten 30 Delegierte die Einführung einer Ticketabgabe auf Flüge bis 2012, um mit dem Geld Steuern und Gebühren im öffentlichen Nahverkehr zu senken. Für den Vorschlag konnte sich die Mehrheit der Delegierten allerdings nicht erwärmen.
Die in den vergangenen Wochen aufgeflammte Diskussion über die Aufarbeitung der Geschichte der CDU in der DDR wurde auf dem Parteitag zwar nur kurz gestreift. Dafür verabschiedeten die Delegierten am Ende einstimmig in einem Antrag einen entscheidenden Zusatz: Darin bekennen sie sich nun ausdrücklich zur Vergangenheit der CDU als DDR-Blockpartei, die "im totalitären System der SED-Diktatur mitgewirkt hat". Versammlungsleiter dieses Punktes war ausgerechnet der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, dessen führende Rolle auf Kreisebene in der DDR die Debatte überhaupt erst ausgelöst hatte.
Viel kontroverser diskutiert wurde in Stuttgart der Parteitagsbeschluss zur Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz. Künftig soll in Artikel 22 der Verfassung stehen: "Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch". Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verteidigte hinterher den Beschluss: Die meisten EU-Staaten enthielten ein solches Bekenntnis zur Sprache. Wenn Deutschland dem folge, sei das eine "schiere Selbstverständlichkeit". Parteichefin Merkel und mit ihr der gesamte Bundesvorstand waren jedoch ausdrücklich gegen den Beschluss. Sie fände es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben, sagte Merkel. "Wir müssen aufpassen, dass das nicht inflationiert."