Früher, in den 1950er und 1960er Jahren, war es noch ganz einfach. Am Sonntagmorgen ging man in die Kirche, zum Fußball oder spazieren, während zu Hause der eingelegte Sauerbraten schon darauf wartete, in die Röhre geschoben zu werden. Kurz vor zwölf stellte Vater den Fernsehapparat an, während Mutter in der Küche mit den Töpfen klapperte. Und da es sowieso nur zwei Programme gab, war auch für die Kinder klar: Jetzt kam der "Internationale Frühschoppen" - mit Werner Höfer und "sechs Journalisten aus fünf Ländern". Zahlreiche Funkhäuser waren "angeschlossen", und so war die Fernseh-Diskussionsrunde nahezu von Beginn an eine Institution der frühen Bundesrepublik. Sie hielt sich eine kleine Ewigkeit: von August 1953 bis Ende 1987, über 34 Jahre lang. Höfer fehlte an keinem einzigen Sonntag. Er machte nie länger als eine Woche Urlaub. Nur ein einziges Mal musste er sich wegen einer Sturmflut, die ihn am Übersetzen aufs Festland hinderte, telefonisch aus Sylt zuschalten lassen. Erst als unangenehme Einzelheiten aus Höfers Vergangenheit in der Nazi-Zeit publik wurden, musste er aufgeben.
Er war ein aktiver Mitläufer (und NSDAP-Mitglied seit 1933) gewesen wie so viele, aber seine journalistische Arbeit nach 1945 bleibt bis heute legendär. Seine politische Sachkenntnis war so beeindruckend wie sein Arbeitspensum, darunter die regelmäßige Lektüre von zwei Dutzend Tageszeitungen. In grammatikalisch oft kompliziert konstruierten, gleichwohl präzise formulierten Fragen, die auch den ein oder anderen ironisch-sarkastischen Einschub vertrugen, versuchte er, die jeweils aktuelle Weltlage zu entziffern, besser: seinen Gesprächspartnern deren möglichst plausible Interpretation zu entlocken.
Trotz aller nüchternen Lakonie und ausgleichender Fairness war ein Glutkern politischer Leidenschaft deutlich spürbar, eine Art geschichtsphilosophischer Emphase. Mit seiner eigenen Meinung hielt er in der Regel nicht hinter dem Berge. Selbstverständlich waren fast immer ein sowjetischer und ein amerikanischer Kollege mit von der Partie, und zuweilen wehte ein Eishauch des Kalten Krieges durchs Kölner Studio, etwa, wenn der sowjetische Kollege mit rollendem R und finsterer Miene den "unverrückbaren Friedensstandpunkt" des Kreml beteuerte.
Natürlich saßen, von ganz seltenen Ausnahmen wie Marion Gräfin Dönhoff und Julia Dingwort-Nusseck abgesehen, nur Herren in der illustren Runde, und es durfte selbstverständlich geraucht werden - auch Zigarillos. Die einzige Frau im Raum huschte immer wieder mit gestreifter Schürze kurz durchs Bild, wenn sie den "Maikämmerer Heiligenberg Riesling Spätlese" nachschenkte. Denn selbstverständlich durfte während des Debattierens auch getrunken werden. Alles andere, etwa ein Glas Selterswasser, hätten sich die Herren auch strengstens verbeten. Schon diese kleine Reminiszenz offenbart die dramatischen Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten.
Heute dürfen Frauen nicht nur über alles mitreden, nein: Sie leiten und dirigieren inzwischen die wichtigsten politischen Talkshows im deutschen Fernsehen, während im Gegenzug vor allem Männer wie Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner und Markus Lanz für den bunten Softtalk zwischen Boris Becker und Gräfin Gloria zu Thurn und Taxis zuständig sind. Es ist also viel komplizierter als früher, manchmal auch verwirrend und ziemlich unübersichtlich.
Wurde 1973, immerhin fünf Jahre nach der Revolte von 1968 und kurz vor Erscheinen von Alice Schwarzers "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen", noch als Sensation gefeiert, dass eine Frau - Carmen Thomas - erstmals das "Aktuelle Sportstudio" des ZDF moderierte, auch wenn sie mit "Schalke 05" einen legendären Fauxpas landete (so nannte sie versehentlich den Fußballverein Schalke 04), so ist es anno 2009 völlig selbstverständlich, dass mit Anne Will, Maybrit Illner und Sandra Maischberger gleich drei Frauen an vorderster Front fürs große politische Theater zuständig sind. Daneben stehen noch Marietta Slomka, Caren Miosga, Bettina Schausten, Susanne Holst, Petra Gerster und einige andere in der ersten Reihe der politischen Fernsehmoderation. Den entscheidenden Durchbruch freilich hatte Sabine Christiansen errungen, die 1998 als erste Frau in die Fußstapfen von Männern wie Werner Höfer, Johannes Gross, Günter Gaus, Erich Böhme, Claus-Hinrich Casdorff und Hanns Joachim Friedrichs trat, nachdem sie schon jahrelang das Gesicht der ARD-"Tagesthemen" gewesen war.
Ist es schon keineswegs übertrieben, von einer Feminisierung des Fernsehens insgesamt zu sprechen, so kann man mit Fug und Recht eine deutliche Verweiblichung der televisionären Politik-Vermittlung konstatieren. Wer sich hier und da noch einmal einen Blick ins Fernseharchiv gönnt und - schwarzweiß oder in Farbe - all die rasiermesserscharf gescheitelten Herrenköpfe betrachtet, die schon ästhetisch und körpersprachlich jenseits allen Zweifels verkündeten, dass Politik Männersache sei, der staunt doch immer wieder, wie heutzutage Anne Will im frechen Minirock oder Maybrit Illner im weißen Hosenanzug ihre Fragen an Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten richten, als hätte es Friedrich Nowottny und Ernst-Dieter Lueg nie gegeben.
Jenseits der Frage, was damit womöglich besser und was schlechter geworden sei als früher, fällt ein struktureller Unterschied zu den "guten" alten Zeiten ins Auge: Der politische Streit, soweit er im Fernsehen stattfindet, hat sich, vor allem als Folge der Privatisierung und Kommerzialisierung der Massenmedien seit den frühen 1990er Jahren, sehr weitgehend als Teil des Unterhaltungsprogramms etabliert. Auch wenn es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF samt ihren Programmablegern gern bestritten wird: Selbst die Präsentation von "Deutschlandtrend" und "Politbarometer", eigentlich eine Angelegenheit für Politik-affine Freunde der Statistik, liefert eher die emotionalen Ingredienzien von Sport, Spiel, Spannung als die seriöse Grundlage einer Debatte über die richtige Politik der Zukunft. So avanciert etwa der sagenhafte Aufstieg von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg fast schon zur bunten Society-Story, während der atemberaubende Abstieg der SPD einem süffigen Melodram ähnelt, das man mit wohliger Gänsehaut konsumiert.
Auch jenseits einer populären Kultur- und Medienkritik ist unabweisbar, dass sich das Infotainment als medialer Megatrend flächendeckend durchgesetzt hat: Information ist zum Entertainment geworden - auch optisch, wie zuletzt das neue, virtuell-digitale Nachrichtenstudio des ZDF offenbart hat. Personalisierung und Skandalisierung sind die Eckpfeiler der politischen Berichterstattung - fast so wie im originären Reich der Unterhaltung, wo es um Dieter Bohlen, Shakira und Paris Hiltons Unterwäsche geht. Hätte Frank-Walter Steinmeier, Ex-Kanzlerkandidat der SPD, auch nur die Hälfte des Glamours von Schauspieler Til Schweiger, wäre er umstandslos zum deutschen Obama ausgerufen worden.
In diesem Umfeld, zu dem auch die ungeheure Informationsbeschleunigung durch das Internet und seine millionenfachen Blog-Blasen gehören, haben die politischen Talkshows eine ganz andere Funktion als der "Internationale Frühschoppen". Wurde damals eine kleine, allenfalls nach Hunderttausenden zählende Elite mit Information und Meinung aus erster Hand versorgt, so geht es bei dem abendlichen Talkshow-Publikum, das bis zu sechs Millionen Zuschauer umfasst, um eine Mischung aus psychosozialer Selbstvergewisserung der Gesellschaft und einer mentalen Zerstreuung, die am Ende Beruhigung und Entspannung auslösen soll. Unabdingbar ist dabei allerdings eine Erregungskurve, die mit einer hysterischen Alarmmeldung beginnt, zum Schluss aber wieder in einen fast therapeutischen Konsens mündet.
Ob "Anne Will" am Sonntag-, "Maischberger" am Dienstag- oder "Maybrit Illner" am Donnerstagabend - genau dies war das Ablaufschema der Polittalks während der einjährigen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, in der sich die alarmistischen Themenformulierungen von "Abgrund", "Zusammenbruch" und "Untergang" gegenseitig den Rang abzulaufen versuchten. Kein negativer Superlativ war so stark, dass er nicht noch hätte überboten werden können: "Banken in Staatshand - Kapitalismus am Ende?" hieß es da oder "Krise ohne Ende - Jobs und Wohlstand in Gefahr". Fast schon dadaistische Gaga-Qualität hatte ein Talkshow-Titel von Sandra Maischberger im November 2008. Das Thema der Sendung lautete: "Marx hatte Recht! Gebt uns den Sozialismus zurück!"
Zuweilen bewährte sich jedoch die weiblich geführte Krisen-Talkshow tatsächlich als "Kraftwerk der Gefühle", frei nach Alexander Kluges Diktum über das Wesen der Oper, in dem sich letztlich ein kathartischer Prozess vollzieht: Die teils selbstinszenierte Aufregung wurde in einem Wellen- und Wechselbad aus Dramatisierung und Entdramatisierung gleichsam aufgelöst, ohne dass dazu eine grundstürzend neue Erkenntnis oder auch nur ein noch nicht gehörtes, originelles Argument nötig gewesen wäre.
Das Geheimnis dieser oft zu Recht kritisierten Rede-Shows mit den ewig gleichen Protagonisten ist ihre Funktion als virtuelles Kaminfeuer einer Gesellschaft, die sich immer mehr in verschiedene Schichten, Interessengruppen, Milieus und Netzwerke ausdifferenziert. Gerade unter dem Schock der so plötzlich ausgebrochenen Finanzkrise versammelten sich viele Zuschauer, die im wahren Leben nicht viel miteinander zu tun hätten, vor dem Bildschirm, um die Identifizierungsangebote eines kollektiv betroffenen Wir anzunehmen. Wenn auf gierige Investmentbanker und unverantwortliche Bankberater geschimpft wurde, fanden sich alle wieder, und sei es nur in der Bestätigung von Ängsten und Befürchtungen, Wut und Empörung.
Anne Wills weißes "Betroffenensofa" - man stelle sich ein derart feminines Möbelstück in Werner Höfers weinselig paffender Herrenrunde vor! - repräsentiert symbolhaft die neue Funktion der Talkshows: Sie sind Mess- und Auffangstationen des sozialen Grundrauschens, Seismographen des gesellschaftlichen Selbstgesprächs und Sprachrohr diffuser Stimmungen. Mehr denn je erscheint hier der Bürger vor allem als bedauernswertes Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse - als unzufriedener Verbraucher oder Kunde, der von der Regierung und ihren (nicht gehaltenen) Versprechungen schwer enttäuscht ist. Vor allem deshalb - und weil es nebenher noch der Einschaltquote in einer alternden Gesellschaft förderlich ist - dominieren die Themenkomplexe Rente, Pflege und Gesundheit gegenüber globalpolitischen Fragen wie Krieg und Frieden in Afghanistan oder Sinn und Unsinn staatlicher Entwicklungshilfe in der "Dritten Welt".
Der auf seine Republik stolze Citoyen, der flammende Reden ans Volk halten würde, ist eine aussterbende Gattung - ebenso wie der räsonierende Intellektuelle, der im tiefsten Innern darauf brennt, endlich einmal wieder selbst politisch aktiv werden zu können. Eine subtile Entkernung des Politischen ist also unverkennbar, zumal markante und streitlustige Persönlichkeiten jenseits des üblichen Showgehabes immer seltener werden. Auch deshalb herrscht in den Talkshows so oft ein pubertärer, zuweilen gar infantil quäkender Jammerton, in dessen Vorstellungswelt immer alle anderen - im Zweifel "die Gesellschaft" oder "die Globalisierung" - schuld am vermeintlichen Elend sind, nur man selbst nicht.
Um dieses emotional belastende Klima gegenseitiger Beschuldigungen rhapsodisch aufzulockern, erfinden die Talk-Redaktionen immer neue Gags und Gimmicks. Längst etabliert ist der berüchtigte "Einspieler", in dem in 30 oder 60 Sekunden noch mal erklärt wird, worum es eigentlich geht. Gerne werden auch "Experten" als sidekicks eingeladen, hier und da ein frohsinniger "Comedian" oder ein ehemaliger Fußball- oder Tennisstar; dazu gibt es Chats, interaktive Youtube-Zuspielungen und die allseits beliebten Straßenumfragen. Am Ende wird stets die entscheidende Botschaft ausgesandt: Wir tun was gegen die Krise, wir kümmern uns. So sehr man sonst die politische Klasse kritisiert, ja verachtet - in Gefahr und höchster Not geht es um den psychosozialen Zusammenhalt. Auf diese Weise wird die Talkshow zum gesellschaftlichen Integrations-Anker in unruhiger See. Das Motto der virtuellen Gesprächstherapie: Gut, dass man wenigstens mal wieder drüber gesprochen hat - bis zum nächsten Mal.
Zugleich passt sich die Talkshow perfekt ins restliche Programmschema ein. Der berüchtigte audience-flow etwa, das dringend erwünschte Dranbleiben der Zuschauer, funktioniert reibungslos: Nach "Maybrit Illner" am Donnerstagabend war man stets reif für Johannes B. Kerner - und ist es nun für Markus Lanz, dieses allerletzte Abklingbecken für Körper, Geist und Seele. Danach folgt nur noch die Bettruhe.
Auch ohne in die Untiefen einer geschlechterspezifischen Psychologisierung zu geraten, scheint offensichtlich, dass unter diesen Bedingungen nicht mehr knorrige alte Herren wie Werner Höfer gefragt sind, sondern hochflexible Moderatorinnen, denen die Rolle der Supervisorin ebenso wie der mal energischen, mal sanften, mal gar ironisch reagierenden Dompteuse näher liegt als die Figur eines Überzeugungstäters mit einem unverrückbaren weltanschaulichen Standpunkt, der noch im undurchdringlichsten Zigarrenqualm erkennbar bleibt.
Es ist unbeschadet sonstiger persönlicher Gründe kein Zufall, dass ein leidenschaftlicher "Meinungsberserker" wie Michel Friedman, auch wenn er heute ganz neu die Szene beträte, keine Chance hätte. Andersherum formuliert: Dass Günther Jauch, Deutschlands TV-Liebling Nummer 1, vor Jahr und Tag das Angebot erhielt, die große Sonntagabendtalkshow zu leiten, war nur logisch und konsequent. Seine durchaus "weiblich" eingefärbte Allrounder-Kommunikationsfähigkeit hatte ihn prädestiniert. Was genau er inhaltlich anders gemacht hätte, weiß freilich niemand.
Doch gerade dieses Ausmaß an Durchlässigkeit und sprechfertiger Ausdrucksfähigkeit, Variabilität und Elastizität ist charakteristisch fürs moderne Anforderungsprofil beim Polittalk. Welcher Fernsehzuschauer etwa wüsste zu sagen, ob Anne Will, Sandra Maischberger oder Maybrit Illner überhaupt irgendeiner, und wenn ja: welcher politischen Partei oder Gruppierung nahe stehen - zu schweigen davon, wie ihre persönliche Haltung zum Krieg in Afghanistan und Hartz IV, zur Integration von muslimischen Migranten und zur Atomenergie aussähe. In Zeiten, da über den alten ideologischen Schützengräben zunehmend biologisch dynamisches Gras wächst, ist es naheliegend, dass die Moderatorinnen sich als interaktive Partnerinnen von Zuschauern und Gästen verstehen und nicht als Kombattanten in einem strengen Diskurs über Wirklichkeit und Wahrheit. Selbst bei Frank Plasberg, dem einzigen männlichen Mitglied im Kleeblatt der großen Talk-Moderator(inn)en, trifft Politik eben nicht allein auf "Wirklichkeit", wie es im Werbetrailer seiner Sendung "hart aber fair" heißt, sondern sehr oft auch auf Inszenierung und Klamauk. Dann wird aus einem Journalisten schon mal ein Journalistendarsteller.
Doch als es nach Günther Jauchs überraschender Absage darum ging, ob Plasberg statt Anne Will den politischen Wochenend-Talk am Sonntagabend leiten solle, schälte sich neben anderen Gründen wieder ein weiches, aber sehr wichtiges Motiv heraus, ihn doch lieber auf den Mittwochabend zu schieben: Männer, selbst so unterhaltsame (und selbstverliebte) Burschen wie Plasberg, übertragen zu viel männliches Gehabe - einschließlich dem notorisch präpotenten Knöpfchendrücken - auf die Fernsehcouch vor den heimischen Flachbildschirmen. Kurz: "hart aber fair" ist kein zuträgliches Motto für den niveauvoll-gemütlichen Wochenendausklang gleich nach dem "Tatort". Denn es kommt auf die richtige Mischung aus Aufregung und Zerstreuung an - auf den politischen Sandmännchen-Effekt für leidgeprüfte Erwachsene, die eine schwere Arbeitswoche vor sich haben.
Zum Beispiel so, wie am 18. Oktober 2009 bei Anne Will. Den Anlass zum boulevardesk-bildhaften Titel der Sendung "Keine Chance für Ali und Ayse - Gemüse verkaufen statt Karriere machen?" hatte das wochenlang skandalisierte "Kopftuchmädchen"-Interview von Thilo Sarrazin in "Lettre International" geboten. Es war eine typische, eine repräsentative Sendung. Irgendwie wurden fast alle wichtigen Fragen zum Thema "Integration" formuliert, aber sie wurden gleichsam chronologisch - eine nach der anderen - abgehandelt und nebeneinander gestellt und eben nicht kritisch-dialogisch aufeinander bezogen. Jeder Gast durfte seine ideologische Position darstellen, wobei man sich gegenseitig gern auch einmal ins Wort fiel - doch der präzise, punktgenaue Streit um Argumente, um ihre Plausibilität und die Hierarchie ihres Geltungsanspruchs blieb wieder einmal aus. Stattdessen wurden Einzelschicksale oder extreme Einzelbeispiele präsentiert, von denen niemand wissen konnte, wie repräsentativ sie waren.
Wie üblich gab es keinen Versuch, die sehr unterschiedlichen und teils völlig inkompatiblen Argumente zu gewichten, gleichsam ihren Platz im Diskursraum zu bestimmen. So war das Ganze tatsächlich eher die Zurschaustellung eines Gesprächs und nicht das Gespräch selbst - eine Talkshow eben, in der die prinzipielle Gleichberechtigung aller Positionen dazu führt, dass vom klassischen Wahrheitsanspruch kaum etwas übrig bleibt. Aber gewiss: Man hatte wieder einmal darüber gesprochen, in der Fernsehsprache: das Thema gecovert.
Doch vielleicht entspricht der Haltung, für praktisch jede Auffassung ein gewisses Verständnis zu haben oder zeigen zu müssen, nicht unbedingt eine immanente Charakter- oder Persönlichkeitsprägung weiblicher TV-Moderatoren, sondern eine offenbar unerlässliche mediale Funktion, die Will & Co. sehr professionell - und womöglich besser als Männer - erfüllen. Im persönlichen Gespräch nämlich zeigen sich Maybrit Illner und Anne Will durchaus meinungsfreudig, gedankenschnell und selbstironisch. Last but not least: Sie sehen deutlich besser aus als Werner Höfer mit Hornbrille und Einstecktuch.
Aber das tut natürlich nichts zur Sache.