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Gültig ab: 16.03.2006 13:50
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Vogelgrippe auf dem Vormarsch

Bild: Helfer in Schutzanzügen mit einem toten Schwan auf der Insel Rügen.
Helfer in Schutzanzügen mit einem toten Schwan auf der Insel Rügen.

Forum: Seuchenpolitik und Epidemieprävention

Die Vogelgrippe hat Deutschland erreicht: Am 15. Februar wurde auf der Ostseeinsel Rügen bei zwei toten Schwänen erstmals hierzulande das gefährliche H5N1-Virus entdeckt. Seitdem breitet sich die Tierseuche aus. Mittlerweile haben die Behörden mehr als 200 Fälle bei erkrankten Wildvögeln nachgewiesen. Auch bei drei Katzen und einem Steinmarder aus Rügen wurde das Virus identifiziert. Die Fälle betreffen bislang sechs Bundesländer. Auch in Polen, Österreich, Frankreich und der Schweiz wurde die für den Menschen bedrohliche Form der Krankheit, der H5N1-Virus vom Typ Asia, festgestellt.

Das Vorrücken der Vogelgrippe hatte sich angebahnt. Erstmals war der Erreger 1997 in Hongkong aufgetreten. Nach einigen Jahren der Ruhe brach die Seuche 2003 erneut in Südostasien aus. Mehr als 200 Millionen Stück Geflügel wurden dort getötet, um eine Ausbreitung zu verhindern. Dennoch rückte das Virus weiter nach Westen vor: Über China, Russland und die Türkei erreichte die Krankheit im Herbst 2005 Rumänien und Kroatien. Mittlerweile tritt die Vogelgrippe auch in weiten Teilen Westeuropas und in Afrika auf.

Bei der gefährlichen Form der Vogelgrippe handelt es sich in erster Linie um eine Tierseuche. Eine H5N1-Infektion verläuft meist tödlich. Es gibt aber auch weniger gefährliche Untertypen des Virus. Dann wird die Krankheit meist Geflügelpest genannt. Die Geflügelpest war in Europa in den letzten Jahren bereits mehrmals aufgetreten. Besonders anfällig für die Grippeviren sind Hausgeflügel, vor allem Hühner und Puten. Aber auch Wildvögel wie Enten, Schwäne und Gänse stecken sich leicht an.

Offene Fragen zur Ausbreitung

In Einzelfällen kam es auch zu einer Übertragung auf Säugetiere, beispielsweise Katzen, Marder oder Schweine. Auch Menschen können sich mit dem H5N1-Erreger infizieren. Dies geschieht aber nur bei einem äußerst engen Kontakt zu Tieren, wie er etwa in Südostasien oder der Türkei vorkommt. Dort lebt das Geflügel oftmals mit dem Menschen unter einem Dach. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich auf diesem Weg seit 1997 weltweit bislang 170 Menschen infiziert. In etwa 90 Fällen starben die Patienten an der Krankheit. Zum Vergleich: In der Grippesaison im Winter 2004/2005 starben in Deutschland etwa 20.000 Menschen an einer „normalen Grippe“.

Die genauen Wege der Einschleppung des H5N1-Virus sind noch nicht restlos geklärt. Als gesichert dürfte gelten, dass Zugvögel das Virus während ihres Frühjahrs- und Herbstzuges weiter verbreiten. Dies geschieht oft durch den Kot der Tiere. Auch der internationale Handel mit Geflügelprodukten dürfte die Ausbreitung begünstigt haben. Wie die Krankheit trotz eines fehlenden Vogelzuges und trotz des geltenden Importverbotes für Geflügelprodukte aus bereits betroffenen Regionen im Februar nach Deutschland gelangen konnte, haben Experten bislang nicht zweifelsfrei aufklären können.

Das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit hält es für möglich, dass die Vogelgrippe durch vereinzelte Wildvögel, die vor dem harten Winter in Osteuropa flüchteten, hierher gebracht worden ist. Möglich ist auch, dass die Krankheit schon länger in der deutschen Wildvogelpopulation grassierte, aber unentdeckt blieb.

Bekämpfung der Tierseuche

Die Behörden wollen mit umfangreichen Maßnahmen ein Übergreifen der Krankheit auf Nutzgeflügel verhindern: Bis zum Ende des Vogelzugs darf sich das deutsche Geflügel nicht im Freien bewegen. Die Kontrollen an den Grenzen werden verschärft. Um die Fundorte infizierter Wildvögel werden so genannte Schutzzonen von drei Kilometern eingerichtet. In diesen Zonen müssen Katzen im Haus bleiben und Hunde an die Leine. Der Transport von Geflügel in die Schutzzonen hinein und aus den Schutzzonen hinaus ist verboten. Im Falle eines Übergreifens auf Nutzgeflügel müssen die betroffenen Bestände getötet werden.

Das vorbeugende Impfen der Tiere ist bislang nicht geplant. „Das würde den Kampf gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe erschweren“, sagt Thomas Mettenleiter, der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts. Denn noch gibt es keinen geeigneten Impfstoff. Die bisherigen Impfmittel können zwar die Symptome der Krankheit unterdrücken. Die Tiere bleiben aber Träger des Virus, können dieses also weiter verbreiten. Gleichzeitig könnte man kranke von gesunden Tieren nicht mehr unterscheiden und die Seuche nur schwer kontrollieren. Bis es zur Marktzulassung eines geeigneten Impfstoffes kommt, könnte es nach Einschätzung des Instituts noch einige Jahre dauern.

Für die Bekämpfung der Tierseuche vor Ort, beispielsweise das Einsammeln der toten Tiere, sind Länder und Landkreise zuständig. Bei einem schwer eingrenzbaren Seuchengeschehen können die Behörden den Katastrophenalarm auslösen. Dies ist auf der Ostseeinsel Rügen geschehen. Dann kann beispielsweise die Bundeswehr bei der Bekämpfung helfen. Koordiniert werden die bundesweiten Pläne vom Nationalen Krisenstab. Ihm gehören die Agrarminister von Bund und Ländern sowie Experten an.

Pandemiepläne und Medikamente

Noch ist die Gefahr einer Ausbreitung der Vogelgrippe unter Menschen gering. Zu dieser Einschätzung kommt das bundeseigene Robert-Koch-Institut. Denn das Virus kann bislang noch nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Weltgesundheitsorganisation befürchtet aber, dass sich das H5N1-Virus in den nächsten Jahren durch Mutation besser an den Menschen anpassen könnte. Dann bestünde die Gefahr einer weltweiten Grippe-Epidemie, wie beispielsweise in den Jahren 1918 bis1919. Der so genannten Spanischen Grippe fielen damals rund um den Globus 50 Millionen Menschen zum Opfer.

Experten sind sich uneins, wie groß eine solche Gefahr tatsächlich ist. Um aber für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, haben die Bundesländer Pandemiepläne aufgestellt. Diese sehen zum Beispiel vor, dass jedes Land eine bestimmte Mindestmenge an antiviralen Medikamenten bevorraten muss. Diese sind besonders für die Anfangsphase nach einem möglichen Ausbruch gedacht und sollten beispielsweise medizinisches Personal schützen. Damit soll Zeit gewonnen werden, bis ein geeigneter Grippeimpfstoff für die gesamte Bevölkerung vorhanden ist. Denn ein „passgenauer“ Impfstoff dürfte erst rund drei bis vier Monate nach der erstmaligen Identifikation des mutierten Virus vorliegen. Die bereits vorhandenen Grippe-Impfstoffe sind weit weniger wirkungsvoll, weil sie für andere Grippe-Subtypen entwickelt wurden.

Text: Jörg Michel
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 20. März 2006


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Weitere Informationen:

  • Website des Friedrich-Loeffler-Instituts – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: www.fli.bund.de

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