Ihm haftet manchmal immer noch der Ruf des Verschmockten und Elitären an. Dabei gehört er zum Bundestag genauso wie Bundestagsadler auch. Und das seit über fünfzig Jahren.
Selbstverständlich. Das haben mir zu meinem 50. Geburtstag, der nun schon wieder vier Jahre zurückliegt, alle bestätigt, die mich besuchen kamen. Ich bin aus diesem Anlass sozusagen ausgestellt worden. Im Reichstagsgebäude. Während ich sonst ja immer getragen werde.
Unter uns: Eigentlich bin ich schon viel älter als 50 Jahre. Da können Sie gut und gern noch einmal 200 Jahre drauflegen. Vor 250 Jahren nämlich bin ich, als Ergebnis einer Verbindung aus reitender Kavallerie und bürgerlicher Tüchtigkeit, in die Welt gekommen. Das war ein emanzipatorischer Akt für die damaligen Zeiten und der Adel sah es nicht mit Freude. Das ist historisch verbürgt. Es gab Leute, die hielten mich für nicht salonfähig. Heute ist das kaum vorstellbar. Heute bin ich ein Repräsentant des Deutschen Bundestages, wie unser Bundesadler auch. Man sieht mich oft im Fernsehen und seit 1956 kennen mich alle Abgeordneten und wissen meine Arbeit zu schätzen. Ich erleichtere ihnen das Regieren. Sie können sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren und sich darauf verlassen, dass ich eine feste Verbindung zwischen drinnen und draußen bin. Ich überbringe die Nachrichten und kümmere mich darum, dass niemand unnötig die Plenarsitzung verlassen muss. Im Fernsehen sieht man mich meistens nur, wenn ich ein Glas Wasser auf das Rednerpult stelle oder mit Papieren in der Hand den Saal betrete oder verlasse. Schön, wenn dann hin und wieder mal jemand sagt und schreibt, dass meine Arbeit natürlich aus viel mehr Angelegenheiten besteht und ich mitnichten ein Wasserträger bin. Aber mit der Bezeichnung Diener im Frack kann ich ganz gut leben.
Genau genommen sind wir natürlich Plenarassistenten und -assistentinnen. Letztere tragen mich übrigens in der weiblichen Form, also als Frackkostüm. Sieht sehr schön aus. Dieses edle Dunkelblau, die goldenen Knöpfe, auf denen ein Bundesadler zu sehen ist, machen schon etwas her. Dazu die weißen Hemden oder Blusen und die grauen Westen. Der Chef des Plenarassistenzdienstes trägt übrigens eine weiße Weste, das gefällt mir als Symbolik auch sehr gut.
Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass die – lassen Sie mich überlegen – 66 Frauen und Männer, die in dieser Dienstkleidung ihre Arbeit verrichten, wirklich etwas hermachen. Wenn man einmal bedenkt, dass sie 1949 als Hilfsdienste des Parlamentes mit Zivilkleidung und einer einfachen grünen Armbinde herumliefen, dann hat sich da doch einiges getan. Das Vorbild für mich gaben übrigens das englische Parlament und die französische Nationalversammlung. Darauf bin ich stolz und das haben wir dem Professor Eugen Gerstenmaier zu verdanken, der mal unser Bundestagspräsident war und dem das Frackmodell der Residenz des französischen Botschafters so gut gefiel, dass er es zum Vorbild für unsere Kleidung berief. Eigentlich eine schöne Geschichte, haben Sie noch einen Moment Zeit?
Also 1954 fand im Palais Schaumburg ein bedeutsames Abendessen statt. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte das Bundestagspräsidium eingeladen. Was es zu essen gab, weiß ich nicht, aber man diskutierte unter anderem auch darüber, künftig die Plenarsitzungen nach englischem und französischem Vorbild zu eröffnen. Und man beschloss, dass der amtierende Bundestagspräsident und der ihn begleitende Direktor im Cut mit schwarzer Weste erscheinen sollen und dass die im Saal Dienst tuenden Amtsgehilfen ihre Schaffnermonturen gegen Fräcke eintauschen. Schaffnermonturen klingt ja etwas despektierlich, aber so sahen sie halt aus damals, die Saaldiener. Ein bisschen wie Schaffner, was ja auch ein ehrenwerter Beruf ist. Übrigens sind die Frauen erst 1989 dazugekommen, bis dahin haben nur Männer diese Arbeit im und rund um den Plenarsaal verrichtet. Wenn Sie mich fragen, hätte man das schon früher ändern können, ich arbeite sehr gern mit Frauen zusammen.
Natürlich gehen wir auch mit der Mode, ohne uns ihren Kapriolen zu unterwerfen. Unser Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel beispielsweise fand, dass die Fräcke nach französischem Vorbild zu aufgedonnert, pompös und prunkvoll aussehen. Also bekam Anton Schreiber, ein Herrenausstatter aus Bad Homburg, 1969 den Auftrag, neue und moderne Modelle zu entwerfen. Und als er seine Entwürfe dann vorstellte, bezeichnete das jemand als einen Kompromiss zwischen der Würde des Hauses und der Bürde der Kleidung. Das ist doch hübsch gesagt, nicht wahr? Jedenfalls schrieb der „Bonner Generalanzeiger” damals, die Saaldiener gehörten zu den bestangezogenen Männern der Stadt. Ich muss sagen, das hat mich mit Stolz erfüllt.
So, ich hoffe, Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben. Besuchen Sie mich doch mal bei der Arbeit. Es freute mich.
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 2. Oktober
2009