Der ersten frei gewählten Volkskammer war nur eine kurze Zeitspanne vergönnt: Am 5. April 1990 tagte sie im Palast der Republik zum ersten, am 2. Oktober 1990 zum letzten Mal. Doch die sechs Monate ihrer Existenz hatten es in sich: Die 400 erstmals frei gewählten Abgeordneten begleiteten intensiv die schwierigen und umfangreichen Verhandlungen zwischen den Regierungen der gerade noch existierenden DDR und der Bundesrepublik über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, über die Zwei-plus- Vier-Verhandlungen und über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.
In ihrem Schlusswort auf der letzten Tagung der Volkskammer fasste deren Präsidentin Sabine Bergmann-Pohl die Arbeit des ostdeutschen Übergangsparlaments so zusammen: „Wann war eine demokratische Volksvertretung jemals in der Geschichte mit einer solchen Aufgabe betraut worden? Heute können wir sagen: Wir haben unseren Auftrag erfüllt, die Einheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden.”
Das war nicht leicht. Denn wie zuvor am Runden Tisch – einer Art Vorparlament zur freien Volkskammer – saßen auch in der ersten demokratisch legitimierten Volkskammer kaum erfahrene Berufspolitiker. Der Mangel an professioneller Parlamentsroutine war jedoch kein Nachteil: Innerhalb weniger Monate schufen die Abgeordneten die gesetzlichen Voraussetzungen für die neuen Bundesländer, die mit ihrer Gründung dann der Bundesrepublik beitraten und sie prägten entscheidend die Verhandlungen zur deutschen Einheit. Viele Abgeordnete hätten wohl gerne weitergemacht. Doch mit der am 3. Oktober 1990 vollzogenen Einheit Deutschlands endete das kurze Kapitel der letzten Volkskammer.
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Chronik
„50er-Jahre bis zur Gegenwart” »
Text Dr. Sönke
Petersen
Erschienen am 12. Juni 2009