Im Untergeschoss des Reichstagsgebäudes befindet sich das „Archiv der Deutschen Abgeordneten“, ein Kunstwerk des Franzosen Christian Boltanski. Das symbolische Archiv besteht aus ungefähr 5.000 Metallkästen. Sie sind mit den Namen jener Abgeordneten beschriftet, die von 1919 bis 1999 demokratisch ins Parlament gewählt wurden. Blickpunkt Bundestag stellt in loser Folge einige Parlamentarier vor.
Wer etwas bewegen will, muss Initiative ergreifen. Das hat sich Friedrich Naumann offenbar zu Herzen genommen. Denn für seine Ideen und Ziele hat er sich die Plattformen häufig selbst geschaffen.
Friedrich Naumann wurde am 25. März 1860 als Sohn eines Pfarrers in Störmthal bei Leipzig geboren. Da lag es nahe, dass er zunächst einmal Theologie studierte und im Jahr 1886 eine eigene Pfarrstelle im Erzgebirge übernahm. 1890 wurde er Vereinsgeistlicher der Inneren Mission am Rauhen Haus in Hamburg. Die Arbeit weckte seine sozialpolitischen Interessen, er trat zunehmend für eine grundlegende Erneuerung des Protestantismus ein. Acht Jahre später gab Naumann sein Pfarramt auf und zog nach Berlin. Er veröffentlichte das Programmbuch „Demokratie und Kaisertum“ sowie die Studie „Neudeutsche Wirtschaftspolitik“, in der er das Konzept eines „Industrieparlamentarismus“ entwickelte und sich für die freie Entfaltung der Gewerkschaftsbewegungen aussprach.
Bereits während seines Studiums war er Mitbegründer des national gesinnten „Vereins Deutscher Studenten“, aus dem er später aus politischen Gründen wieder austrat. Zur Verbreitung seiner sozialpolitischen Ideen rief er 1895 die Wochenschrift „Die Hilfe“ ins Leben. 1896 gründete er dann den „Nationalsozialen Verein“, der unter dem Einfluss des Soziologen Max Weber für ein „demokratisches Kaisertum“, Sozialpolitik und eine expansive Außenpolitik Deutschlands eintrat. Nach der Auflösung des Vereins 1903 wurde Friedrich Naumann Mitglied der linksliberalen „Freisinnigen Partei“ und setzte sich unter anderem für die Aufhebung des preußischen Dreiklassenwahlrechts ein. 1907 hat er den Deutschen Werkbund mitbegründet, eine Vereinigung von Künstlern und Industriellen. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied im Reichstag, was er (mit kurzer Unterbrechung) bis 1918 blieb. Friedrich Naumann engagierte sich zudem für die Vereinigung der linksliberalen Gruppierungen zur „Fortschrittlichen Volkspartei“ (FVP) und sprach sich für eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der SPD aus. 1917 gründete er die Staatsbürgerschule in Berlin, ein Jahr später wurde er zum Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Er wurde Parteivorsitzender der DDP und Mitglied im Verfassungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung.
Am 24. August 1919 starb der Theologe und Politiker Friedrich Naumann, der christliche Überzeugung mit sozialem Liberalismus vereinte, nach längerer Krankheit in Travemünde. Seine Ideen leben in der nach ihm benannten Stiftung fort.
Text: Georgia Rauer
Fotos: studio kohlmeier, picture-alliance
Friedrich Naumann Stiftung: www.fnst.de