Eine Uniform trägt er nicht, dafür hat er seine eigene Garde – der Marschall des polnischen Sejms. 115 Mann ist sie stark, und sie war in der ersten polnischen Republik in einem Kreis von einer polnischen Meile oder gut sieben Kilometern rund um das Parlamentsgebäude die Staatsmacht. Heute schützt die Garde nur noch das Parlamentsgebäude selbst und setzt, wenn nötig, auch den Willen des Präsidenten im Plenarsaal durch. Auch in jüngster Vergangenheit kam es vor, dass die Garde renitente Abgeordnete aus dem Saal tragen musste.
Die Bezeichnung Marschall trägt der Präsident des Sejms noch aus den Anfängen der polnischen Volksvertretung im 15. Jahrhundert. Damals leitete der „Große Kronmarschall“ im Namen des Königs die gemeinsamen Sitzungen von Senat und Abgeordnetenkammer, der beiden Häuser des Sejms. Als Insignie der Macht im Hohen Haus steht noch heute ein mannshoher Marschallstab neben dem Sitz des Sejm-Präsidenten.
Vertreter des Staatsoberhaupts ist der Parlamentspräsident auch in der Republik geblieben. Heute ist der Marschall des Sejms nach dem Präsidenten der zweite Amtsträger im Staat. Stirbt der Präsident oder tritt er zurück, dann übernimmt er bis zu einer Neuwahl seine Funktionen. Er überwacht auch die Wahl des Präsidenten.
Im Sejm gehen seine Rechte über die bloße Leitung der Sitzungen hinaus. Er kann eine spontane Debatte im Parlament anberaumen. Wird ein Änderungsantrag im Plenum eingebracht, ohne dass er in den Ausschüssen debattiert wurde, dann entscheidet der Marschall, ob über den Antrag abgestimmt wird. Und will der Präsident der Republik das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben, dann muss er zuvor den Marschall konsultieren.
Text: Matthias Rumpf
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