Auch in diesem Jahr führt der Deutsche Bundestag gemeinsam mit den drei Berliner Universitäten das Stipendiatenprogramm „Internationales Parlaments–Praktikum“ durch. Es bietet 97 jungen Menschen aus 21 Ländern die Chance, für drei Monate das Geschehen im Bundestag hautnah mitzuerleben. Bei der offiziellen Begrüßungsfeier am 30. März stellten die Stipendiatinnen und Stipendiaten mit viel Phantasie und Humor ihr jeweiliges Heimatland vor.
Lautes Stimmengewirr, fröhliches Gelächter: Die Stimmung ist ausgezeichnet im Fakultätsforum im Architekturgebäude der Technischen Universität Berlin. Dort haben sich am 30. März um 18 Uhr die 97 Teilnehmer des Stipendiatenprogramms „Internationales Parlamentspraktikum“, kurz IPP genannt, zur offiziellen Begrüßungsfeier eingefunden. So viel haben sich die jungen Frauen und Männer aus 21 Ländern über ihre ersten Eindrücke von „ihrem“ Abgeordnetenbüro zu erzählen, dass es einige Zeit dauert, bis die Veranstaltung losgehen kann.
Drei Tage zuvor, am 27. März, hat für die Stipendiaten des Deutschen Bundestages das Kernstück des Programms begonnen: ein dreimonatiges Praktikum bei einem der derzeit 614 Bundestagsabgeordneten. Auf die Arbeit in den Abgeordnetenbüros sind sie zuvor durch ein Einführungsprogramm in Berlin vorbereitet worden. Außerdem ergänzen die drei Universitäten der Hauptstadt – dieses Jahr unter Vorsitz der Technischen Universität Berlin – und die parteinahen Stiftungen die praktische Arbeit durch Seminare zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland. Ziel des IPP ist es, jungen ausländischen Akademikern die Möglichkeit zu geben, das politische Tagesgeschäft und demokratische Entscheidungsprozesse im deutschen Parlament hautnah mitzuerleben.
Anspruchsvoller Bewerbungsmarathon
Dass der Bundestag den jungen Leuten „vieles Anregende bieten wird“, davon zeigt sich Kurt Kutzler, Präsident der TU Berlin, in seiner Begrüßungsrede überzeugt. „Hören Sie zu, passen Sie auf, kehren Sie in Ihre Heimatländer zurück, denken Sie an Deutschland und bleiben Sie Freunde Deutschlands“, fordert er die Stipendiatinnen und Stipendiaten auf, die einen anspruchsvollen Bewerbungsmarathon hinter sich haben und alle hervorragend Deutsch sprechen. Die Initiatoren des IPP erhoffen sich viel von den hoch qualifizierten Stipendiaten: Sie sollen einmal zu den Führungskräften in den teilweise noch jungen Demokratien ihrer jeweiligen Heimatländer gehören und – auch dank ihres Praktikums beim Deutschen Bundestag – zu einem vertrauensvollen Miteinander der Nationen beitragen.
„Demokratische Politik ist auf engagierte und interessierte Menschen wie Sie angewiesen“, gibt Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) den Stipendiaten mit auf den Weg. Besonders freue sie sich darüber, dass zwei Drittel der diesjährigen Teilnehmer weiblich seien. Und mit Blick auf die anstehende Fußball–WM, die die Stipendiaten in Deutschland miterleben werden, sagt sie: „Das Motto der WM passt auch wunderbar zu unserem Internationalen Parlaments–Praktikum: Die Welt zu Gast bei Freunden. Nutzen Sie die Gelegenheit, mit jungen Akademikern aus anderen Ländern ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und Freundschaften zu schließen.“ Stolz verweist Kastner darauf, dass der Bundestag das IPP nun bereits seit 20 Jahren anbietet.
Abenteuer der besonderen Art
Es waren 20 junge Amerikanerinnen und Amerikaner, die 1986 erstmals die Gelegenheit hatten, ein Praktikum beim Deutschen Bundestag zu absolvieren. 1989 wurde das Programm auf Frankreich und 1990 auf Polen und Ungarn ausgeweitet. Heute nehmen junge Menschen aus 21 Ländern, vorwiegend Mittel– und Osteuropas, am IPP teil – dieser „einzigartigen Werkstatt für zukünftige Parlamentarier“, wie der Sprecher der Berichterstattergruppe für Internationale Austauschprogramme, der CDU/CSU Abgeordnete Wolfgang Börnsen (Bönstrup) betont.
An diesem Abend präsentieren die Stipendiaten mit viel Phantasie, Nationalstolz, aber auch Humor und einem gehörigen Maß an Selbstironie allein oder zu mehreren ihr jeweiliges Heimatland. „Früher waren wir als Konfliktherd, jetzt sind wir als Verwaltungsdschungel bekannt“, sagt etwa ein Stipendiat aus Bosnien und Herzegowina über sein Land. Die Teilnehmer aus Slowenien führen einen Sketch auf, in dem sie die Ausländer, die ihr Land immerzu mit der Slowakei verwechseln, auf die Schippe nehmen. Und die drei Stipendiatinnen aus Litauen geben ein polyphones Volkslied ihrer Heimat zum Besten.
Alle beherzigen dabei die Weisheit, die ein Teilnehmer aus Albanien gleich zu Anfang verkündet hat: „Kurze Reden bewegen die Herzen, lange Reden die Stühle.“ Es wird viel gelacht und geklatscht bei dieser Präsentation der einzelnen Länder, man versteht sich blendend. Eins scheint schon jetzt geglückt zu sein: die freundschaftliche Begegnung zwischen jungen Menschen aus aller Welt, die vielleicht in einigen Jahren das politische Leben in ihren Heimatländern in herausgehobener Position mitgestalten werden. Es ist ein gelungener Auftakt zum Praktikum im Bundestag, einem, wie Wolfgang Börnsen es nennt, „Abenteuer der besonderen Art“.
Text: Nicole Alexander
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 24. April 2006
Website : www.bundestag.de/dialog/ipp