Es gibt sie in allen Häusern des Bundestages und vielleicht auch für jeden Geschmack. Jede, fast jede von ihnen eine kleine Einladung: Mach mal Pause. Fünf Minuten oder zehn. Trink einen Kaffee. Rede mit einem netten Kollegen, lies Zeitung oder die Papiere für die nächste Sitzung. Schau dir das Hin und Her ringsum an, all die viel beschäftigten Menschen, die an dir vorbeilaufen, während du eine kleine Auszeit hast. Mach es dir bequem und hol wieder Schwung. Das Leben ist anstrengend.
Sitzecken sind mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Sie verändern den Raum, sind kleine Refugien. Auch dann, wenn sie leer und verwaist sind. Und ringsum das Leben tobt. Hinter all den Bürotüren links und rechts, in den Ausschusssälen des Paul-Löbe-Hauses, in Sitzungszimmern und Beratungsräumen, im Plenarsaal und auf den Fluren und Gängen.
Manche dieser Refugien sind sehr begehrt. Da treffen sich häufig die gleichen Leute, sitzen auf rotem oder schwarzem Leder, legen ihre Handys auf die Tische, rücken lang gepflegte Pflanzen beiseite und reden über Gott und die Welt. Für sie muss es diese Sitzecke sein, weil hier mittags, wenn man Glück hat, die Sonne scheint. Oder weil der Blick aus dem Fenster spektakulär ist. Hat sich da draußen doch ein Elsternpaar seine eigene Kuschelecke gebaut.
Sitzecken sind eine freundliche Geste. Man nimmt sie gern.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 6. Juni 2006