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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Kultur und Bürgerengagement
Gültig ab: 15.06.2007 09:19
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Kultur und Bürgerengagement

Schleswig-Holstein Musik Festival 2006.
Schleswig-Holstein Musik Festival 2006.
© Picture-Alliance/dpa


Deutschland oder Polen? Fans bei der WM.
Deutschland oder Polen? Fans bei der WM.
© Picture-Alliance/dpa


Begegnungen im Parlamentsviertel

Mit Charme und Musik

Ihre Pflicht ist die Vertretung der politischen Landesinteressen gegenüber dem Bund, ihre Kür ist die Werbung für ihre Theater, ihre Festivals, ihre Museen. Die Vertretungen der Bundesländer in Berlin präsentieren immer wieder Beispiele ihres ausgeprägten kulturellen Lebens. Manchmal gelingt dabei auch der Sprung über die deutschen Grenzen. Als Vorgeschmack auf das am 14. Juli beginnende „Schleswig-Holstein Musik Festival” mit dem Motto „Hörbar Ungarn” präsentiert Ministerpräsident Peter Harry Carstensen eine der Attraktionen, das Ensemble Ferenc Sebö. Zunächst aber stellt er „unseren neuen Mann in Berlin”, den neuen Leiter der Landesvertretung, Olaf Bastian, vor und macht ein paar Bemerkungen zur Kulturpolitik. „Kultur muss uns Orientierung in Zeichen des Wandels sein.” Und die Kulturpolitik habe der Kultur, nicht der Politik zu dienen.

Ein wenig dient sie an diesem Abend aber auch der Außenpolitik, besser gesagt der Völkerverständigung. Der ungarische Botschafter Sándor Peisch beweist seine Norddeutsch-Kenntnisse mit einem „Moin” und macht die aktuelle Linie ungarischer Politik deutlich: Früher sei der Ruf seiner Landsleute wegen ihrer Eroberungspolitik nicht der beste gewesen. „Heute versuchen wir, mit Musik und Charme die Welt zu erobern.”

Rolf Beck, der Chef des Festivals, berichtet, Ensembleleiter Sebö habe sich in den frühen 70er Jahren auf den Weg nach Siebenbürgen gemacht, um in den Dörfern die noch lebendige bäuerliche Tanzmusik kennenzulernen. In Budapest habe er das erste öffentliche „Tanzhaus” veranstaltet und sei zur Leitfigur einer kulturellen Bewegung geworden. Warum die bäuerliche Tanzmusik heutzutage so viele Freunde findet, davon können sich die Gäste überzeugen, als die vier Musiker auf Instrumenten wie Drehleier, Baligeige, Maultrommel oder Türkenpfeife jahrhundertealte Volkskunst zum Leben erwecken.

Da Sebö während eines längeren Aufenthalts in Dresden deutsche Volkslieder gelernt hat, geben sie auch davon Kostproben, so ”Herrn Pastor sien Kau”. Carstensen freut sich über die plattdeutsche Weise aus dem Munde der Ungarn und sagt, bei der Musik sei es wie beim Kochen. Man müsse es nicht selber können, aber man müsse hören oder schmecken können.

Förderung von Talenten

Auch der Leiter der sächsischen Landesvertretung, Michael Wilhelm, stellt immer wieder Beispiele des kulturellen Lebens des Freistaates und seiner Hauptstadt vor. In diesem Frühjahr sind das gleich zwei Dresdner Institutionen, die in Deutschland ihresgleichen suchen, das Sächsische Landesgymnasium für Musik und die Staatsoperette. Die künstlerische Direktorin des Gymnasiums, Uta Vincze, berichtet, dass die Absolventen einerseits das Abitur und andererseits die Voraussetzung fürs Musikstudium erwerben können. Zurzeit hat das 1965 gegründete Gymnasium 145 Schüler und Schülerinnen. Hansjörg König, Staatssekretär im Kultusministerium, meint, es gebe in Deutschland nur noch in Weimar eine vergleichbare Förderung von Talenten. Ein Förderverein versuche, Geld in die Kassen zu bringen, zum Beispiel für Instrumente.

Auf private Unterstützung ist auch die Staatsoperette Dresden angewiesen, die sich auf das Werk von Johann Strauß spezialisiert hat. Ein Förderverein ist auf der Suche nach einem besseren Domizil für das einzige eigenständige Operettentheater in Deutschland. Eines der Mitglieder des Vereins ist die Bundestagsabgeordnete Marlies Volkmer. Sie lebt seit mehr als 25 Jahren in Dresden. „Die Operette ist in dieser Zeit ein guter Freund geworden.”

Gelungene Integration

Ehrenamtliche Hilfe der Bürger bei öffentlichen Aufgaben wird seit 1997 einmal im Jahr im großen Rahmen mit dem „Förderpreis Aktive Bürgerschaft” belohnt. Der erste Preis geht an die Bürgerstiftung Berlin, die sich um die Integration von Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien bemüht. Unter den Gästen sind einige, die ihre Integration schon geschafft haben. Adam Soboczynski kam mit seiner Familie als Aussiedler nach Deutschland. Seine Mutter schlug sich anfangs mit drei Putzstellen durch. Der heutige Redakteur der „Zeit” erinnert sich, wie er sich bei seinem ersten Diktat an einer deutschen Schule gewundert habe, dass das Wort „Komma” so oft vorkam. Die Autorin Dilek Güngör sagt, als kleines Mädchen sei sie oft gefragt worden, ob sie auf Deutsch oder Türkisch träume. „Ich weiß das nicht. Aber jeder wolle wissen, wo ich wirklich hingehöre.” Ähnlich ging es auch Soboczynski: „Ich wurde bei der Fußball-WM immer gefragt: Für wen bist du — für Deutschland oder für Polen?” Er habe das einfach vom Spielverlauf abhängig gemacht.

Der Bundestagsabgeordnete Michael Bürsch, Vorsitzender des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement”, wird unterdessen nicht müde, für einen neuen „Gesellschaftsvertrag” zu werben. Seine Vorstellung ist, dass Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ihre Mittel einbringen in gemeinsames Handeln. So wie IBM die Computernutzung in Schulen fördere und damit etwas für die Gemeinschaft leiste, was auch für das Unternehmen selbst von Nutzen sei. Man müsse nicht Mutter Teresa nachahmen, sondern solle ruhig an sein eigenes Interesse denken.

Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 18. Juni 2007


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