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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Spezialist mit Adlerblick
Gültig ab: 06.05.2009 16:29
Autor: Jeannette Goddar
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Spezialist mit Adlerblick

David Risto
Jeder Punkt muss sitzen: Akribisch prüft David Risto die Druckqualität
© DBT/Anke Jacob

Hausdruckerei des Bundestages

David Risto sorgt im Bundestag für den richtigen Druck. Sein Handwerk hat er noch mit Bleilettern und Setzkasten gelernt.

Es gibt eine Menge Wege, sich dem deutschen Wappentier zu nähern. Wer auf der Suche nach ihm ist, kann in seinem Portemonnaie nach deutschen Euromünzen fahnden, seinen Personalausweis hervorkramen oder dem Team von Jogi Löw beim Kicken auf die Brust schauen. Im Berliner Parlamentsviertel treffen Besucherinnen und Besucher ohnehin bei jedem zweiten Schritt auf einen Adler, der vom Volksmund etwas despektierlich auch gern „Fette Henne” genannt wird. Wer immer ein Tor oder eine Tür zu einem Gebäude des Bundestags öffnet, kann sicher sein: Der Bundestagsadler ist schon da.

So nah wie David Risto kommt ihm allerdings kaum einer. Nur wenige Zentimeter trennen die beiden, genauer gesagt das rechte Auge Ristos und das Ende einer einzelnen Schwinge des Tieres. Durch einen Fadenzähler – eine Lupe mit Messskala am Rande aus dem Textil- und Druckereihandwerk – betrachtet der 37-Jährige in einem Zustand höchster Konzentration das Gefieder. In zehnfacher Vergrößerung nimmt sein prüfender Blick all jene Stellen unter die Lupe, an denen sein bloßes Auge das Gefühl hatte, etwas könne nicht stimmen: Sind einzelne Pixel oder Punkte nicht da, wo sie hingehören? Verschwimmen das helle Blau der Schwinge und das nur minimal dunklere um sie herum an einzelnen Stellen? David Risto guckt und guckt und guckt. Schließlich wechselt er aus seiner gebeugten Stellung zurück in eine aufrechte Position. Nickt zufrieden. Strahlt geradezu.

Mit dem Abstand, den er dank des Aufrichtens seines kräftigen Oberkörpers gewonnen hat, nimmt er das von ihm entworfene Gesamtwerk in den Blick: Das Cover für eine Klemmbrettmappe, die besonderen Besuchern oder Konferenzteilnehmern im Deutschen Bundestag ausgehändigt werden soll. Damit sie sich darin Notizen machen und sie später als Erinnerungsstück behalten können. Schlicht und überzeugend kommt der Entwurf daher – was nicht zuletzt daran liegt, dass schon in der farblichen Gestaltung eine Menge Gedanken eines grafisch geschulten Menschen stecken. Das Grau und das Blau spiegeln die Farben des Mobiliars im Plenarsaal wider. Die meisten Menschen, die künftig in eine solche Mappe kritzeln, werden das vielleicht nicht einmal bemerken. Auffallen wird ihnen aber: Das Produkt, das sie in der Hand halten, ist in sich stimmig.

David Risto mit Originaldruck des Grundgesetzes von 1949
Schwarz auf Weiß: Ein prüfender Blick Ristos auf den Originaldruck des Grundgesetzes von 1949
© DBT/Sylvia Bohn

Zugegeben: Dass der in Lettland geborene und in Deutschland aufgewachsene Mitarbeiter des Bundestages so kreativ sein darf, ist eher selten. Sein Job ist nicht Grafiker oder Designer. David Risto leitet das Team, das im Deutschen Bundestag für die Herstellung und Beschaffung von Printmedien zuständig ist. Gemeinsam mit zwei Mediengestaltern und einer Auszubildenden sowie zwei Verwaltungsmitarbeitern ist er zuständig für vieles, was im Deutschen Bundestag gedruckt wird; ausgenommen sind lediglich Produkte der Öffentlichkeitsarbeit. Und gedruckt wird, wie man sich vorstellen kann, von einem Parlament mit rund 22 Sitzungswochen im Jahr und ebenso vielen fachlich arbeitenden Ausschüssen eine Menge: Protokolle und Gesetzentwürfe, aber auch Broschüren, Flyer und Plakate.

Hauptsächlich kümmert sich der Vater zweier Kinder ums Organisatorische. Wenn also Frau Müller anruft und eine Broschüre in einer Auflage von 300 Exemplaren nach dem Treffen einer internationalen Parlamentariergruppe produzieren möchte, erörtert David Risto mit ihr das Format, wann und wie der Datensatz geliefert und wann das Produkt fertig sein muss. Im Anschluss erstellt er eine detaillierte Leistungsbeschreibung und holt Angebote von Druckereien ein. Sorgt dafür, dass der Druckbetrieb die Daten geliefert bekommt. Nach Erfüllung des Auftrags kontrolliert er die ganze Abwicklung noch einmal. Sagt er – und lässt wie zum Beweis seinen Blick über den Schreibtisch schweifen. Einen halben Meter hoch stapeln sich dort die Druckwerke, die am besten noch geprüft werden müssen, samt Lieferschein und Rechnung. „Das da”, erklärt er, „hat mit Kreativität nichts zu tun. Aber es ist Alltagsgeschäft, das erledigt werden muss.” Und zwar mehrere Hundert Mal im Monat – so viele Aufträge erreichen David Risto nämlich. An externe Druckereien vergeben werden sie nahezu alle. Nur in Ausnahmefällen und für kleine Auflagen druckt das Team auf einem Hochleistungskopierer in seinem Büro. Klick macht Risto dann auf seiner Tastatur. In Sekundenschnelle ist der Datensatz im Drucker. Das papierne Resultat binnen Minuten verfügbar.

Für einen Computernutzer mag das kein überraschender Hinweis sein. David Risto aber, obwohl erst 37, hat noch andere Zeiten im Kopf. Der Satz „Mehr als Gold hat Blei die Welt verändert” des Philosophen Georg Christoph Lichtenberg sagt ihm noch etwas. Gemeint hat Lichtenberg weder das Blei im Stift noch das in der Flinte – sondern das im Setzkasten, aus dem die Buchstaben gegossen wurden. Als der junge Risto kurz vor dem Mauerfall in einer kleinen Druckerei bei Bonn sein Handwerk lernte, war der Digitaldruck noch in weiter Ferne. Wie Generationen vor ihm pulte der Lehrling einzelne Bleibuchstaben aus seinem Setzkasten und legte sie hintereinander in einen sogenannten Winkelhaken – spiegelverkehrt und auf dem Kopf stehend, damit sie richtig herum beim Leser ankommen. Jeden Abend kehrte er mit schwarzen Fingern nach Hause zurück. Gestört hat es ihn nicht. „Ich wollte immer etwas Praktisches machen”, erinnert er sich. Auch Tischler hätte er sich vorstellen können. Und Schlagzeuger! Der wurde er sogar – wenn auch neben dem Beruf, am Feierabend und am Wochenende. Was den Broterwerb angeht, erzählt er und lacht ein bisschen, „bin ich dann wohl doch lieber bodenständig geblieben”. Was bei den Ristos übrigens in der Familie liegt: Auch seine Ehefrau arbeitet beim Deutschen Bundestag, zwei seiner Geschwister für ein Ministerium.

Und krisenfest ist es da ja auch. Solange im Deutschen Bundestag noch gesprochen wird, und das dürfte wohl so bleiben, wird einer wie er dort dringend gebraucht. Risto kennt die Lage der Drucker auch von früheren Arbeitgebern. Schwer gemacht hat es der Branche nicht zuletzt genau jene Digitalisierung, die auch dort so viel vereinfacht. Wo vieles nur noch per Mail versandt wird und jeder Computerdrucker die mithilfe von ein paar Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen selbst erstellten Dokumente in Sekunden verarbeiten kann, steht es nicht gut um das Druckgewerbe.

Prägestempel mit Bundestagsadler
Prägestempel mit Bundestagsadler
© DBT/Anke Jacob

Wer David Risto auf die Finger schaut, lernt aber schnell, dass es eben auch ein Mythos ist, dass alle alles selber können. Wer sieht, wie seine Finger über den Prägestempel gleiten, mit dessen Hilfe der Bundesadler auf die Einladungen zur Bundespräsidentenwahl geprägt werden soll, bekommt einen Eindruck davon, was wertvoller Druck zu leisten vermag. Jede Linie wird von ihm erspürt, ebenso wie er zuvor den falschen Sitz jedes Punktes gesichtet hat.

Das geht ihm übrigens nicht nur bei der Arbeit so. Es gibt Berufskrankheiten, die lassen sich nicht vermeiden. Wer immer David Risto eine Broschüre in die Hand drückt, kann sich eines gewiss sein: Nie guckt er zuerst auf den Inhalt – sondern immer auf die Optik.

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Text: Jeannette Goddar 
Erschienen am 5. Mai 2009


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