Eine Überraschung war das Veto des Bundeskartellamtes Anfang Februar nicht: Der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern darf die "Berliner Zeitung" nicht übernehmen, weil er in der Hauptstadt schon den "Tagesspiegel" besitzt. Große Bedeutung dürfte der Entscheidung auch nicht zukommen - denn Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat bereits einen Gesetzentwurf in der Schublade, der großen Medienkonzernen den Aufkauf von Kleinen erleichtern soll.
Aber vielleicht kann das Nein der Kartellwächter helfen, eine gesellschaftliche Debatte über die Fusionskontrolle im Medienbereich zu entfachen. Geht es doch bei dem Ringen um den "Tagesspiegel" letztlich darum, ob und wie die Pressevielfalt gewahrt werden kann. Diese Frage stellt sich umso dringlicher, als selbst auflagenstarke Zeitungen wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" inzwischen Ressorts auflösen oder ganze Ausgaben einstellen und auch den Fernsehsendern die Werbeeinnahmen wegbrechen. Um ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, setzen die führenden Konzerne auf Stabilität durch Größe - mit problematischen Folgen für die Medien- und Meinungsvielfalt, kritisiert Werner A. Meier.
Die Politik zeige Verständnis für die Wachstumsstrategien der Medienunternehmen, verspreche sie sich davon doch eine Stärkung der Wirtschaft. So will Minister Clement das Kartellrecht lockern und Fusionen und Übernahmen im Pressegewerbe de facto grundsätzlich erlauben. Einen entsprechenden Kabinettsbeschluss soll es in diesem Monat geben. Nach Clements Plänen darf künftig jede Zeitung aufgekauft werden - auch wenn in der jeweiligen Region ein Monopol entsteht. Einzige Einschränkung: Der Altverleger oder ein neuer Dritter halten 25,1 Prozent an dem übernommenen Blatt und garantieren dessen publizistische Selbstständigkeit.
Länder, Kartellbehörden und Journalistenverbände wehren sich gegen die geplante Neuregelung. Wer Zeitungen kaufe, könne leicht einen Treuhänder als vermeintlich eigenständigen Dritten einsetzen, warnen sie. Der Erwerb des "Tagesspiegels" durch den früheren Holtzbrinck-Manager Pierre Gerckens scheint diese Befürchtungen zu bestätigen, wie der Beitrag von Horst Röper belegt.
Um die Barrieren auf dem deutschen Markt zu umgehen, expandieren etablierte Medienkonzerne zunehmend ins Ausland - in der Hoffnung auf neue Absatzchancen. Denn während nahezu alle Medienteilmärkte in Deutschland gesättigt erscheinen, biete sich insbesondere auf den ost- und außereuropäischen Märkten noch Potenzial, betont Insa Sjurts.
Dass starkes Wachstum auch zur Überdehnung führen kann, zeigt der Fall Kirch. Das Ziel eines vertikal integrierten Medienkonzerns hatte Leo Kirch spätestens seit der Zulassung des privaten Rundfunks in Deutschland Anfang der achtziger Jahre systematisch verfolgt. Seine strategischen Entscheidungen waren offenbar ganz zentral von dem Programmvermögen - mit einem Bestand von zuletzt 18 000 Filmen - bestimmt, so Marie Luise Kiefer. Doch die erhofften Synergien blieben aus bzw. wurden nicht konsequent genutzt.
Mit der Insolvenz der Kirch-Gruppe tauchte ein für den deutschen Medienmarkt neuer Typus von Kapitalgebern auf: Investoren, die lukrative Beteiligungen an angeschlagenen Firmen suchen - mit dem Ziel, diese später mit Gewinn wieder zu veräußern. Diese Entwicklung ist nach Einschätzung von Wolfgang E.Heinold und Ulrich Spiller auch in der Buchbranche zu beobachten. Die Wachstumsstrategien der einheimischen Konzerne haben somit das Gegenteil bewirkt und der ausländischen Konkurrenz ein Einfalltor zum deutschen Markt eröffnet.