Wer den seltenen Beruf mit der pathetischen Bezeichnung "Held" ausübt, muss viele Tugenden besitzen, ungewöhnliche Fähigkeiten sein Eigen nennen, vielleicht ein einprägsames Äußeres vorzeigen können, und vor allem: wissen, wann er in den Ruhestand geht. Nichts ist schrecklicher, als ein Held, der zur Karikatur seiner selbst verkommen ist, und das darüber hinaus noch nicht einmal wahrhaben will.
Die Trainer - oder die lizenzlosen Teamchefs - unserer Fußballnationalmannschaften arbeiten als Helden: von ihnen werden, vor allem in jüngster Zeit, Wunder erwartet, und nicht weniger. Bleiben die aus, ist Schluss mit dem Vorbildcharakter. Da hilft nur der schnelle Abschiedsgruß, um in positiver Erinnerung zu bleiben. Teamchef Rudi Völler hat es vorgemacht. Er wird auch als Bundesheld a. D. noch euphorisch bejubelt.
Die Suche nach dem Ersatzheld gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig. Nach dem erfolglosen Sologedribbel von DFB-Präsident Mayer-Vorfelder - der auch einige heldenhafte Attitüden besitzt - darf nun eine vierköpfige "Findungsgruppe" sich auf die Odyssee begeben. In der Politik würde so etwas als "(Experten-) Kommission" bezeichnet und nach dem auffälligsten Spitzenspieler benannt - in diesem Fall also entweder "MV-" oder "Kaiser-Kommission". Hoffentlich dauert der sportliche Entscheidungsfindungsprozess nicht so lange, wie in der Politik üblich.
Kompromisse sind schon im Voraus ausgeschlossen. Schließlich wird der Weltmeistertrainerheld gesucht - und nicht weniger. Das Damoklesschwert der weltweit wichtigsten Sportveranstaltung im eigenen Land hängt seit langem über der Nation. Versager und Nulpen dürfen keine Chance haben. Und wer jetzt genau überlegt, die Absagen einberechnet, den Blickwinkel erweitert und die Augen denkwürdig zu schmalen Schlitzen verengt, wird darauf kommen, dass es eigentlich nur einen geben kann: Das ist eine Aufgabe für den Kanzler. Gerhard, Du musst es jetzt machen.
Hat die SPD nicht in ihrem Wahlprogramm 2002 angekündigt: "Deutschland wird Fußballweltmeister"? Wie kann man so was sagen, ohne die passende Personalie im Hinterkopf zu haben? Der eigentlich zuständige Minister Otto Schily wird sicherlich "aus Altersgründen" den Ball durchlassen. Dass Schröder wiederum mit der "Pille" umgehen kann, beweisen zahlreiche Fotos, die ihn mit dem runden Leder zeigen. Und wäre die Kanzlerstelle öffentlich ausgeschrieben, würde sicherlich unter "Anforderungen" stehen: "Erwartet wird zudem, eine Truppe von älteren Diven und Einzelkämpfern zu einem erfolgreichen Team zu formen und die der Position innewohnende Richtlinienkompetenz durchzusetzen."
Nicht zu vergessen bleibt: Würde Schröder seine heldenhafte Aufgabe zur Zufriedenheit ausfüllen, würde das dann auch seinen Zweitjob als Bundeskanzler sichern. Nicht wenige Wahlforscher nennen als einen Grund für den Wahlsieg von Helmut Kohl 1990 und die Niederlage 1998 das äquivalente Abschneiden der Fußballelf bei der Weltmeisterschaft. Warum sollte es seinem Nachfolger anders ergehen? Bert Schulz