Der bisherige portugiesische Ministerpräsident José Manuel Durao Barroso ist am 22. Juli vom Europäischen Parlament in Straßburg als Nachfolger des Italieners Romano Prodi zum neuen Präsidenten der EU-Kommission gewählt worden. Von 711 abgegebenen Stimmen konnte er 413 gewinnen. 251 Abgeordnete votierten gegen ihn, 44 enthielten sich. Drei Stimmen waren ungültig. In einer ersten Stellungnahme erklärte Barroso, er sehe es als seine Hauptaufgabe an, Brücken zu bauen, beispielsweise zwischen Befürwortern und Skeptikern der europäischen Einigung sowie zwischen alten und neuen Mitgliedsländern. In den kommenden Wochen wird Barroso zusammen mit den Regierungen die Kommissare der einzelnen Länder auswählen. Bevor die neue Kommission im November ihre Arbeit aufnehmen kann, müssen sich die neuen Kommissare einzeln einer Befragung durch das Parlament stellen, um anschließend gemeinsam ein Vertrauensvotum durch die Abgeordneten zu erhalten.
In Straßburg wurde das zwar eindeutige, aber nicht glanzvolle Wahlergebnis unter dem Aspekt gewertet, dass der von den Regierungen nominierte Barroso zunächst nicht so sehr als Europäer, sondern als Repräsentant des Ministerrats, der nationalen Komponente der EU, gesehen wurde. Belastend war auch seine frühere Unterstützung des Irak-Krieges. Die Grundlage für seinen Wahlsieg aber habe er mit seinem klar demonstrierten Willen zur Unabhängigkeit gegenüber äußeren Einflüssen bei seiner künftigen Amtsführung gelegt. Alle Versuchen aus den nationalen Hauptstädten, ihn schon vor der Wahl auf bestimmte Wünsche festzulegen, habe er eine deutliche Absage erteilt.
Dennoch verlief seine Wahl anders als geplant. Entgegen allen Versuchen, mit einem christlich-sozialen Bündnis neue Mehrheiten im Europäischen Parlament zu schaffen, hat sich bei dieser Personalentscheidung das alte parteipolitische Lagerdenken mit dem bürgerlichen und dem linken Spektrum als nicht zu erschütternde Struktur erwiesen. Der von den Christdemokraten und Konservativen der EVP nominierte Barroso wurde schließlich nur noch von den Liberalen weitgehend geschlossen unterstützt. Auf deren Forderung hatte Barroso die Einsetzung eines von den Regierungen in Berlin und Paris geforderten Superkommissars für Wirtschafts- und Industriepolitik eindeutig zurück- gewiesen. In einem von ihm geführten Kollegium werde es keine Kommissare erster und zweiter Klasse geben, sondern 24 Superkommissare.
Spannend blieb bis zuletzt die Haltung der Europäischen Sozialdemokraten und vor allen die Frage, ob sie nun nach der Unterstützung des sozialistischen, spanischen Parlamentspräsidenten durch die EVP sich ebenfalls an die Absprache halten würden und ihrerseits mehrheitlich den konservativen Portugiesen unterstützen würden. Bei einer geschlossenen Ablehnung hätte der Portugiese wohl nur geringe Chancen gehabt. H. H.