"Der" Osten demonstriert, er ist fremd, fremdenfeindlich, rechts, faul, sucht Arbeit, gewinnt Goldmedaillen (10 von 14 deutschen) in Athen. Er ist das unbekannte Wesen schlechthin, und jetzt - Leipziger und Ulmer Mediziner fanden es heraus - macht er auch noch Westdeutsche, die nach "drüben" ziehen, depressiv. Der Besserwessi mutiert, kaum dass er die innerdeutsche Grenze passiert hat, zum Jammerossi. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Migration in die Depression", an der auch der Leipziger Psychologe und Soziologe Elmar Brähler, zuvor Südwestdeutschland, beteiligt war.
Natürlich bleiben Fragen ungeklärt. Mussten die Immigranten einen Asylantrag stellen? Wenn ja, wo und bei wem? Gilt die Aussage nur für privat Übergesiedelte oder auch für all die vielen klugen Professoren, Schuldirektoren, Verwaltungsfachleute, Wirtschaftskapitäne, Gewerkschaftsbosse, die nach der Wende in die Ex-DDR, vulgo Zone, zwangsverpflichtet wurden? Wie steht es eigentlich um Parlament und Regierung, die seit nunmehr fünf Jahren in "Dunkeldeutschland" (Michael Jürgs) an der Spree wirken? Treffen auch für sie jene Aussagen der bemerkenswerten Studie zu, dass der Umgewöhnungs- und Anpassungsprozess die Westdeutschen psychisch mehr belaste als die Ostdeutschen beim Wechsel in den Westen? Es würde manche Entscheidung des Kabinetts der vergangenen Jahre besser erklären.
Und jetzt diese niederschmetternden Gewissheiten. Die lethargisch vor einem Bockwurstkiosk irgendeiner brandenburgischen oder sächsischen Gemeinde Herumlungernden sind nicht die allseits definierten Dumpfossis, sondern heimatlose Rheinländer, Badener oder Ostfriesen. Da tut sich ein weites Feld für weiterführende Feldforschung auf. Die Studie teilt uns nämlich mit: "Die Westdeutschen scheinen um ihre Situation zu wissen. Sie schätzen sich als missmutiger und depressiver ein als die Ostdeutschen im Westen."
Was ist zu tun? Da wäre die Erderwärmung. Sie könnte dazu führen, dass auch im Osten besseres Wetter herrscht, vergleichbar dem frühen Frühling auf der Insel Mainau. Sowas hebt die Stimmung. Da in dem Bericht außerdem mitgeteilt wird, dass bei Westfrauen Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und Missmut deutlich stärker ausgeprägt seien als bei Männern, brauchen wir spezielle Trainingsprogramme für die Betroffenen. "Bei Studien zur Befindlichkeit der Deutschen sollte zukünftig berücksichtigt werden, wo in Deutschland die Befragten wohnen und vor allem, wo sie aufgewachsen sind", so Brähler. Sage mir, woher du kommst, und ich sage dir, warum du nicht lachst. Ostdeutsche mopsen sich beim Kölner Karneval, Westdeutsche leiden in der nordostdeutschen Triefebene. Es gibt viel zu tun, packen wir es an, oder lassen wir es sein. Je nach Herkunft. Wie soll es weiter gehen? Elmar Brähler, bitte melden Sie sich! Detlev Lücke