Die genauen Zahlen über den Mittelstand können nicht häufig genug genannt werden, um seine Bedeutung hervorzuheben: so prägen kleine und mittlere Unternehmen 99 Prozent der gesamten Unternehmenslandschaft; damit tragen sie 43 Prozent der zu versteuernden Umsätze und bieten etwa 70 Prozent aller Arbeitsplätze und 80 Prozent der Ausbildungsstellen. Ohne wirtschaftsstarke und investitionsbereite mittelständische Unternehmen lässt sich daher die Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht wirksam bekämpfen.
Doch bestimmen diese Unternehmen nicht nur die Situation des inländischen Arbeitsmarktes entscheidend mit, sie sind es auch, die Deutschland im Wettbewerb auf dem internationalen Markt durch die Entwicklung neuer Technologien einen obersten Rang sichern. So bringen rund 200.000 mittelständische Unternehmen in Industrie und Dienstleistung jedes Jahr neue Produkte und Prozesse auf den Markt; Deutschland ist heute zweitgrößter Netto-Technologieexporteur der Welt. Trotz dieser herausragenden Bedeutung des Mittelstandes für Deutschland haben wir ihm in der Vergangenheit nicht immer die Unterstützung zukommen lassen, die in Zeiten der Globalisierung im internationalen Wettbewerb erforderlich ist. Insbesondere die globale Organisation der Technologiemärkte und die dort immer stärker werdende internationale Konkurrenz erfordern weitere Förderung und Unterstützung des Mittelstandes, um im Wettbewerb zukünftig bestehen zu können. Auch das fehlende Wirtschaftswachstum zeigt seine Auswirkungen auf den Mittelstand: Die Zahlen der neugegründeten mittelständischen Unternehmen sind in den letzten Jahren gesunken. Aus diesem Grund haben wir mit der Verabschiedung der Agenda 2010 die Grundlage für eine neue, innovativere Mittelstandspolitik geschaffen, die die Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen in Zukunft verbessern wird. Der Schwerpunkt dieser Mittelstandsoffensive liegt beispielsweise darin, zinsgünstige Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und Existenzgründungen zu fördern. Zwei wichtige Gesichtspunkte der neuen Mittelstandpolitik sollen im Folgenden eine nähere Betrachtung erfahren: die Schaffung der Mittelstandsbank zur finanziellen Förderung der Unternehmen auf der einen und der Bürokratieabbau auf der anderen Seite.
Eine gesicherte Finanzierung ist der Grundstein für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Gerade hier lagen - und liegen leider immer noch - große Schwierigkeiten für die mittelständischen Unternehmen. Schließlich spüren auch die Banken in Deutschland die Folgen der Globalisierung; so ziehen sich die großen Privatbanken aus der finanziellen Unterstützung des Mittelstandes zurück, weil sie die Realisierung ihrer Gewinne in erster Linie bei der Kreditvergabe an große Unternehmen sowie bei den Geld-, Devisen- und Wertpapiergeschäften mit diesen gesichert sehen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die bislang die traditionellen Kreditgeber des Mittelstandes waren, sind durch die europäische Umstrukturierung der Bankenlandschaft und eigener Abschreibungsbedarfe ebenfalls zurückhaltend bei der Auszahlung von Krediten an kleine und mittelständische Unternehmen.
Um die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Situation für die Unternehmen ergeben, aufzufangen, hat die Bundesregierung im August 2003 durch die Zusammenlegung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) eine Bank für den Mittelstand geschaffen. Zu den Aufgaben der KfW zählte immer schon die Förderung des Mittelstandes sowie die Projektfinanzierung wohingegen die DtA vor allen Dingen Unternehmensgründungen gefördert hat. Bis zu ihrer Zusammenlegung war sowohl die KfW als auch die DtA für die Ausführung der Förderprogramme des Bundes für den Mittelstand zuständig. Wir haben mit der Zusammenlegung einen Weg gefunden, damit der Mittelstand und die Unternehmensgründer aus einer Hand eine transparente und effiziente Förderung erhalten. Darüber hinaus haben wird nicht nur die bislang erfolgreichen Förderprogramme in der KfW-Mittelstandsbank gebündelt, sondern das Angebot mittelständischer Förderungen insgesamt weiterentwickelt und den gegenwärtigen Bedürfnissen der Unternehmen angepasst.
Als zentraler Ansprechpartner soll die Mittelstandsbank nun durch eine schnellere und unbürokratischere Auszahlung der Kreditmittel die Finanzierung des Mittelstandes sichern und auf diesem Weg dessen Investitionsfähigkeit ausbauen. Die Durchleitung der Finanzierung erfolgt über die Hausbank des jeweiligen Unternehmens, somit ist die Kooperations- und Einsatzbereitschaft der Hausbank die Voraussetzung für eine schnelle Realisierung der finanziellen Unterstützung. Ob das Ziel, das mit der Schaffung der Mittelstandsbank verfolgt wurde - die Möglichkeit, ein übersichtliches, kostengünstiges und unbürokratisches Förderungsprogramm für den Mittelstand in Anspruch zu nehmen - erreicht werden wird, bleibt wegen des noch kurzen Zeitraums abzuwarten. Jedoch beklagt der Mittelstand, dass die Hausbanken bei der Beratung und der Auszahlung von Krediten der KfW-Bank zurückhaltend sind. Grund dafür ist nach Auskunft der Banken, dass die Bearbeitungskosten bei der Vergabe von Kleinstkrediten an Unternehmen unverhältnismäßig hoch sind.
Zur Lösung dieses Problems soll nach ersten Überlegungen von Bundesregierung und KfW-Mittelstandsbank eine bankenübergreifende Kreditfabrik gegründet werden, die das Verfahren für das Mittelstandsförderprogramm standarisiert und zusammenführt. Anschließend soll dann allen Banken und Sparkassen die Möglichkeit eröffnet werden, Kleinkredite zentral bearbeiten zu lassen, um Kosten zu sparen. Sollte trotz des Konzepts der Kreditfabrik immer noch keine erfolgreichere Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen zu verbuchen sein, so bleibt zu überlegen, ob die Mittelstandsbank durch eine Umstrukturierung der Kreditvergabe direkter Ansprechpartner für kleine und mittlere Unternehmen werden muss.
Bereits der Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung vom 16. Oktober 2002 legt fest, dass der Abbau überflüssiger Bürokratie ein vorrangiges Ziel der Legislaturperiode sein wird, um den Mittelstand zu entlasten sowie Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Gerade mittelständische Unternehmen und Existenzgründer sind auf eine kooperative und schnell handelnde Verwaltung ebenso angewiesen wie auf verständliche und lebensnahe Rechtsvorschriften. Das Strategiekonzept "Initiative Bürokratieabbau", das das Bundeskabinett im Juli 2003 verabschiedet hat, bildet die Grundlage für einen umfassenden Bürokratieabbau in Deutschland. Im Mittelpunkt dieses Konzepts stehen fünf Handlungsfelder, denen für die Entlastung der Bürger und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes eine besondere Bedeutung zukommt: Arbeitsmarkt, Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mittelstand, Forschung und Technologie, Zivilgesellschaft und Ehrenamt, Dienstleistung und Bürgerservice. Die Entlastungen sollen vor allen Dingen kleine und mittlere Unternehmen spüren; der Freiraum, den sie durch den Abbau unnötiger Bürokratie gewinnen, wird unternehmerisches Engagement fördern und somit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. Durch eine Realisierung von Teilen des Strategiekonzepts ist der Mittelstand beispielsweise schon heute nicht mehr der Verpflichtung ausgesetzt, zahlreiche statistische Daten zu erheben. Das Bundesjustizministerium hat ein Konzept zur Rechtsbereinigung erarbeitet und die Streichung von 200 Gesetzen und Rechtsverordnungen vorgeschlagen.
Im August 2003 hat das Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung das Projekt "Innovationsregionen" gestartet, bei dem in ausgewählten Innovationsregionen Bundesvorschriften, die in Zusammenarbeit von Wirtschaft und Verwaltung als bürokratisch empfunden wurden, für einen begrenzten Zeitraum außer Kraft gesetzt werden. Die dort erarbeiteten Vorschläge sollen dann im Rahmen der Initiative Bürokratieabbau umgesetzt werden.
Eine der Innovationsregionen ist Ostwestfalen-Lippe; die Initiative "Modellregion Ostwestfalen-Lippe: Wirtschaftsnahe Verwaltung" hat solche Rechtsvorschriften regional begrenzt und befristet ausgesetzt oder modifiziert, die die Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor betreffen. In erster Linie geht es dabei um die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, Erleichterung für Existenzgründer, Deregulierung im Statistikbereich. Das besondere Konzept der Modellregion Ostwestfalen-Lippe liegt darin, dass sie als eine von drei Testregionen in Deutschland den Abbau von Bundesvorschriften mitgestaltet und durch eigene Initiative voranbringt, in der Region die Qualität behördlicher Leistungen weiter umfassend verbessert und Menschen in der Region mobilisiert, in Eigenverantwortung in ihrem Gestaltungsbereich die Grundidee des Bürokratieabbaus aufzugreifen und eigene Aktivitäten zu entfalten. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat bereits die Vorschläge der Region im Gesetz zum Bürokratieabbau in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe (Bürokratieabbaugesetz OWL) vom 16. März 2004 (GVBl. NRW S. 134) aufgegriffen, die in die Zuständigkeit des Landes fallen. Die OWL Marketing GmbH hat im Rahmen ihrer Initiative "Wirtschaftsnahe Verwaltung" aus ihren Erfahrungen mit den Mustervorschriften Vorschläge erarbeitet, das Bundeskabinett hat anschließend neun der Vorschläge aus Ostwestfalen-Lippe in die Gesetzesänderungen aufgenommen.
In den vergangenen Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung bereits zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, damit sich die Rahmenbedingungen für den Mittelstand auch langfristig verbessern. Kleine und mittlere Unternehmen haben schon jetzt durch die Einkommen- und Körperschaftssteuerpolitik große Entlastung erhalten. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte muss fortgesetzt werden, damit das Zinsniveau weiterhin niedrig bleibt und somit insbesondere den Mittelstand durch zinsgünstige Kredite entlastet. Die Schaffung der Mittelstandsbank war eine wichtige Maßnahme, um unbürokratisch und flexibel Förderkredite an mittelständische Unternehmen auszuzahlen. Auch wenn dies in der Praxis noch Schwierigkeiten bereitet, bleibt zu hoffen, dass die Gründung einer Kreditfabrik und die mit ihr verbundene kostengünstige Abwicklung der Kreditvergabe eine Lösung darstellt. Die einzelnen Vorschläge der Innovationsregionen für einen Bürokratieabbau sind ein wichtiger Schritt, um bundesweit überflüssige und unübersichtliche Rechtsvorschriften zu streichen. Nicht nur dem Mittelstand wird die Reduzierung bürokratischer Prozesse langfristig Entlastung bringen.
Der Autor ist Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit.