Vernichtend Kritiken und die Wahl zu Deutschlands sinnlosester Internetpräsenz, dem "Ultimate-Web-Trash-Award des Jahres" - die Internetadresse "www.muellseite.de" ist längst zu einem Geheimtip aller Websurfer geworden, die der deutschen Sprache mächtig sind. Allerdings nicht unbedingt zur Freude des einheimischen Mittelstandes, denn neben durchgedrehten Selbstdarstellern, Schützen- und Sportvereinen sind es vor allem die Webpräsenzen kleiner und mittelständischer Unternehmen, die auf der Müllseite schonungslos an den Pranger gestellt werden. Ein Busreiseanbieter, auf dessen Homepage sich einzig das Gästebuch mit den neu eingetragenen Kommentaren unzufriedener Kunden aktualisiert, oder ein Malermeister, dessen Webpräsenz sich durch "mysteriös durch die Gegend segelnde Kreise" und "eine Übelkeit verursachende Mausbegleitung" auszeichnet, mögen als Beispiele genügen.
Doch steht es wirklich so schlecht um die Internetnutzung von mittelständischen Unternehmen in Deutschland? Keineswegs, meint Hans-Jürgen Hermann, Projektleiter des "Netzwerks Elektronischer Geschäftsverkehr". Immerhin 95 Prozent aller deutschen Firmen seien schon heute im weltweiten Datennetz präsent. Der Gebrauch von E-Mails und Kontaktformularen gehöre in der hiesigen Wirtschaft zum Standard - "allerdings nutzen die wenigsten Unternehmen das gesamte Potential des Internets." Große Probleme gäbe es etwa bei der regelmäßigen Aktualisierung der Homepages: "Ein Großkonzern mit mehreren tausend Beschäftigten hat dafür eine eigene Abteilung, in vielen Handwerksbetrieben macht der Chef das selbst", erklärt Herrmann. "Und zwar vom selben Computer aus, von dem abends dann auch die Kinder im Web herumorgeln."
Manche Firmen hätten einfach losgelegt und eine Website gestaltet, als das Internet Ende der 90er-Jahre zu boomen begann. "Dass man seine Produktkataloge mit der Homepage verknüpfen kann, oder der Kunde über das Internet den Transport der Ware nachverfolgen kann, daran haben viele damals nicht gedacht." Mit regionalen Kompetenzzentren, die Unternehmer vor Ort zum Thema Internet beraten, will das "Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr" diesen Mängeln Abhilfe schaffen. Berater kommen in die Betriebe, und analysieren deren Umgang mit dem Datennetz, und auch Online-Lernangebote gibt es, etwa zu den Themen "Sicherheit von Firmendaten", "Bezahlen im Netz" oder "Haftung für Rechtsverletzungen im Internet".
Doch auch andere Organisationen sorgen sich um die Online-Präsenzen deutscher Mittelständler. Beispielsweise der in Salzgitter ansässige "Bundesverband Mittelstand und Internet". Der im Jahr 2002 gegründete Verein unter Vorsitz des Leiters des Instituts für E-Business an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Professor Reza Ashgari, setzt sich für eine bessere Zusammenarbeit von Hochschulen und mittelständischen Unternehmen ein. Nach Ansicht des Vereins ist es ein Problem, dass im Internet viel zu oft aneinander vorbei gearbeitet wird. Wer etwa die Suchbegriffe "Internet" und "Mittelstand" in eine Online-Suchmaschine eingibt, erhält rund 360.000 Homepages als Ergebnis angezeigt.
Da fällt es schwer, auf eines der 20 staatlichen Förderprogramme zu stoßen, die die Mittelständler auf dem Weg ins Internet unterstützen und zu Innovationen im Bereich des weltweiten Datennetzes anregen sollen. Und auch der "Deutsche Internetpreis" ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, obwohl sich mehr als 500 Unternehmen um ihn beworben haben: Um die von der Bundesregierung ausgeschriebene, und mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung können sich Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten bewerben, die etwa im Bereich der Wertschöpfung oder des Kundendienstes ganze Unternehmensprozesse über das Internet abwickeln. Denn was die Nutzung des World Wide Web betrifft, gibt es in Deutschland auch vorbildliche Mittelständler. Benjamin Lassiwe
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.