Professor Günter Ebert, Wettbewerbsexperte und Leiter des Instituts für Controlling in Nürtingen, sieht in strategischen Kooperationen für die meisten Betriebe sogar die einzige Überlebenschance: "Wo sich früher zwei oder drei Firmen einer Branche den Markt aufteilten, gibt es heute immer mehr Wettbewerber, die vor Ort um den Kuchen streiten. Das Monopol oder die Garantie auf Aufträge ist dadurch weg." Insofern sind nach seiner Einschätzung auch die eher am Binnenmarkt agierenden Handwerksbetriebe von der Globalisierung betroffen.
Denn dadurch gewinnt der Wettbewerbe eine neue Qualität, mit der für die Betriebe unangenehmen Folge, dass Dinge, die jahrelang prächtig funktionierten, plötzlich nicht mehr klappen. Nach Eberts Einschätzung bietet der Wegfall des Monopols jedoch auch Chancen für die Betriebe, die flexibel sind und sich umstellen können und wollen.
Kooperationen sind laut Ebert deshalb die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen des Wettbewerbs, weil einerseits die Kompliziertheit der Produkte zunimmt, andererseits der Kunde aber auch zunehmend Komplett-Lösungen fordert. Weil die stärker werdende Konkurrenz die Qualitätsansprüche nach oben treibt, müssen sich gerade die Kleinbetriebe auf ihre Kernkompetenzen besinnen, um mithalten zu können. Da der Kunde aber nicht nur Qualität, sondern gleichzeitig auch Systemlösungen fordert, kann ein Kleinbetrieb ohne Partner nicht beide Forderungen gleichzeitig erfüllen.
Das Dilemma durch Wachstum oder Fusionen zu lösen, ist nach Ansicht des Wettbewerbsexperten kein praktikabler Ansatz für Klein- und Mittelbetriebe. Denn wer von jedem etwas bietet, verwässert seine Kernkompetenz und kann die Ansprüche nach Top-Qualität nicht mehr erfüllen. Besser sind strategische Allianzen mit gleichberechtigten Partnern, bei denen jeder seine Leistung im Griff hat.
Beispiel: Als Malermeister Klaus Braun 1997 ein Seminar zum Thema "Qualität und deren Präsentation" besuchte, dachte er noch nicht an eine Kooperation. Doch beim Besuch zahlreicher typischer Malerausstellungen entdeckten der Wuppertaler Unternehmer und einige Kollegen immer den gleichen Schwachpunkt: Nur mit künstlerisch gestalteten Wänden lässt sich keinem Kunden ein wirkliches Raumgefühl vermitteln.
Also gingen Braun und einige Kollegen auf Partnersuche, um eine gewerkeübergreifende Präsentation zu realisieren. 1999 wurde dann die Raumfabrik GmbH gegründet. Eine, wie Braun betont, bewusst gewählte Rechtsform: "Durch die enge juristische Bindung aneinander wollten wir den Entwicklungsdruck der Kooperation sicher stellen."
Unter dem Motto "Handwerk mit Ideen" bietet die Raumfabrik den Kunden die komplette Abwicklung bei Umbau, Ausbau, Renovierung, Sanierung oder Neubau in Top-Qualität zu überwiegend garantierten Festpreisen. Zentraler Bestandteil ist das Mitdenken und Mitanpacken für das Vor- und Nachgewerk. So ist es für den Sanitärpartner selbstverständlich, dass er vor dem Montieren der Heizung die dahinter liegende Wandfläche streicht. "Unser Ziel ist es, einen neuen Handwerkertyp zu schaffen, der gewerkeübergreifend qualifiziert ist", erklärt Initiator Klaus Braun. Inzwischen zählt das Netzwerk 21 Betriebe aus neun Gewerken.
In der Praxis sind es natürlich nicht in erster Linie die volkswirtschaftlichen Argumente, die die Betriebe letztendlich vom Nutzen der Teamarbeit überzeugen. Da kann der Markt förmlich nach Komplettlösungen schreien - hat der Betrieb davon keinen Nutzen - oder konkret: mehr Umsatz und auch Gewinn -, wird er sich zunächst wenig im Bereich Kooperationen engagieren. Die wesentlichen Vorteile für den Betrieb in der Reihenfolge ihrer Bedeutung sind:
Nach Schätzungen des Bochumer Innovationsforschers Professor Erich Staudt kann ein Zusammenschluss von Bauhandwerkern die Kosten für ein Projekt um bis zu 30 Prozent gegenüber einer getrennten Leistungserstellung reduzieren. Das als "teuer" geltende Handwerk kann durch Kooperationen also auch dem Kunden bessere Preise bieten und so manchen Auftrag von Generalunternehmern oder aus der "Schwarzarbeit" zurückholen. Im Gegenzug ist der Kunde auch bereit, für seinen Zusatznutzen einen höheren Preis zu zahlen als bei der Einzelvergabe der Gewerke. Hinzu kommt, das sich zwar die einzelnen Gewerke, nicht aber die Komplettangebote vergleichen lassen. Wer im Pool der Kooperation mit anbietet, ist dadurch raus aus der Vergleichbarkeit.
Immer mehr Kunden scheuen die als lästig empfundene Koordination mehrerer Gewerke und verlangen Leistungen aus einer Hand. Wer sich diesem Trend verschließt und seine Handwerksleistung weiterhin isoliert anbietet, läuft Gefahr, zunehmend Aufträge an Komplettanbieter zu verlieren. Verschärft wird die Situation noch durch die schlechte Konjunktur im Neubau: Weil sie dort nicht ausgelastet sind, entdecken immer mehr Generalunternehmer den lukrativen Renovierungs- und Privatkundensektor für sich und treten somit unmittelbar als Wettbewerber der Klein- und Mittelbetriebe auf.
Der klassische handwerkliche Betrieb mit durchschnittlich neun Mitarbeitern bleibt schon allein aus Kapazitätsgründen bei vielen Aufträgen außen vor. Oder muss sich als Subunternehmer mit Dumping-Preisen begnügen. Als Mitglied einer Kooperation kann er sich zu fairen Bedingungen an größeren Aufträgen beteiligen. In diesem Zusammenhang gewinnen auch horizontale Zusammenschlüsse an Bedeutung, bei denen sich Betriebe aus der gleichen Branche in Netzwerken organisieren.
Besonders interessant an diesem Trend ist, das in den teilweise bundesweit organisierten Netzen auch Betriebe zusammenarbeiten, die vorher in Konkurrenz zueinander standen. Da können die Vorteile horizontaler Zusammenschlüsse, die neben der Abwicklung lukrativer Großaufträge vor allem auch in gemeinsamen Einkauf und der Weiterbildung zu sehen sind, sogar jahrelange Feindbilder verdrängen.
Wer gemeinsam mit anderen im Team arbeitet, profitiert naturgemäß von den Kundenkontakten seiner Partner. Besonders interessant ist das bei Zusammenschlüssen, wo neben den Handwerksbetrieben auch Handelsfirmen oder andere Dienstleister im Team sind. Immer mehr Kooperationen im Baubereich beziehen insbesondere auch die Finanzdienstleister in ihre Netzwerke ein, um den Kunden eine wirklich komplette Leistung anbieten zu können. Gleiches gilt auch für handwerksnahe Gewerke wie etwa Gartenbauer.
Nach Recherchen der Fachhochschule Fulda gibt es momentan bundesweit etwa 350 Kooperationen im Handwerk, wobei sich Neugründungen und Auflösungen pro Jahr etwa die Waage halten. In einem Forschungsprojekt zur "Dienstleistungsqualität in Bauhandwerks-Kooperationen" hat die TH Aachen im wesentlichen drei Gründe für das Scheitern von Kooperationsmodellen ausgemacht:
Nachdem die weichen Faktoren beim Thema Teamarbeit also mindestens genauso wichtig - wenn nicht sogar wichtiger - sind als Modelle und Verträge, dürfen sich die Beratungsangebote der Handwerkskammern und Fachverbände nicht im Bereitstellen von Infomaterial und Broschüren erschöpfen. Ein individuelles Coaching, bis hin zu Persönlichkeitstest in Sachen Teamfähigkeit, scheint nach den Erfahrungen aus der Handwerkspraxis notwendig und sinnvoll zu sein. Nur so hat die kleinbetrieblich strukturierte Handwerksbranche auf Dauer eine Chance, ihren strategischen Nachteil gegenüber den industriellen Großbetrieben auszugleichen.
Die Autorin ist Redakteurin des "handwerk magazin", München.
www.raumfabrik.de