Mit einer Werbeoffensive geht die rechtsradikale Partei NPD derzeit an die Jungwähler und die Wähler von morgen ran", lautete eine Zeile in der Tageszeitung "Die Welt". Die "Berliner Morgenpost" schrieb: "Die rechtsextreme NPD streicht nach der Bundestagswahl erhebliche Mittel aus der Wahlkampfkostenerstattung ein." Beide Tageszeitungen erscheinen im selben Verlag und werden zum Teil von denselben Redakteuren gestaltet. Dennoch ist man sich hier offenbar nicht einig. Ist die NPD nun "rechtsextrem" oder "rechtsradikal"?
Nicht nur in der Presse, auch in wissenschaftlichen Abhandlungen werden die Begriffe oft synonym benutzt. Die Ursachen sind vielfältig, indes führt die laxe Handhabung dazu, dass die Begriffe schwammig und langfristig bedeutungslos werden. Oftmals übernehmen Autoren die gängigen Phrasen, die Agenturen oder so genannte "Leitmedien" geprägt haben. So wird die bundesdeutsche NPD wahlweise als rechtsradikal oder als rechtsextrem bezeichnet, die österreichische FPÖ als "rechtspopulistisch". Ihr langjähriger Vorsitzender Jörg Haider ist zum Synonym für den "Rechtspopulisten" geworden.
Aber was unterscheidet den Rechtspopulisten vom Rechtsradikalen oder vom Extremisten? Grundlage der Definition ist die Weltanschauung hinter gegebenenfalls ähnlichen politischen Zielen. Der Populismus verkörpert eine im Kern grundsätzlich nicht gegen die Demokratie gerichtete Weltanschauung, sondern repräsentiert eine spezielle Sichtweise von Demokratie. Die spezielle Ausprägung des Populismus versucht einen Gegensatz zwischen dem "Volk" und der "Elite" zu konstruieren, vertritt plebiszitäre Demokratiekonzepte und verbindet diese Elemente mit nationalistischen Ansätzen. Das Volk wird als ethnische Einheit verstanden, die es gegen äußere Einflüsse abzuschotten gilt. Die FPÖ passt in das Schema, weil sie sich als Plattform der Benachteiligten versteht und suggeriert, sie vertrete die eigentlichen demokratischen Interessen. Abschottungsphantasien und eine xenophobe Rhetorik passen ebenfalls ins Bild. Dennoch halten Wissenschaftler wie der Innsbrucker Soziologe Max Preglau die FPÖ für "tendenziell rechtsextremistisch".
Im Sprachgebrauch der jungen Bundesrepublik galt Rechtsextremismus in der Bundesrepublik als erlaubte Spielart der Demokratie an ihren Rändern. Wenn es um verfassungsfeindliche Bestrebungen von Rechts ging, wurde der Begriff des Rechtsradikalismus benutzt. Rechtsradikalismus galt als gefährlichere Form, welche die Demokratie von der Wurzel her, lateinisch "Radix", ausrotten wolle. Heute ist es umgekehrt. In der Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz heißt es: "Zu Unrecht wird er (der Rechtsextremismus) häufig mit Rechtsradikalismus gleichgesetzt. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz."
Der Deutungswandel vollzog sich Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre, in deren Verlauf die Begriffe in den Verfassungsschutzberichten die Rollen tauschten. Bis 1966 bezeichnete das Bundesamt für Verfassungsschutz rechte verfassungswidrige Organisationen als "rechtsradikal", später galten rechtsextrem und rechtsradikal als synonyme Bezeichnungen. 1974 etablierte sich der Rechtsextremismus als Oberbegriff für verfassungsfeindliche Bestrebungen von Rechts. Der Wechsel des Terminus ist auf die weite Verbreitung des Extremismus-Begriffes in der angelsächsischen Forschung zurückzuführen. Dort wurde er als Gegenpart zur "Liberal Democracy" benutzt, was die junge deutsche Sozialwissenschaft nachhaltig beeinflusste. Dazu kam eine vieldeutige Interpretation des Radikalismus-Begriffs; als radikal gelten etwa auch die Anhänger des allgemeinen Wahlrechts im deutschen Vormärz.
Heute ist Rechtsextremismus laut Bundesamts-Definition eine "unterschiedlich ausgeprägte nationalistische, rassistische oder staatsautoritäre bis totalitäre Weltanschauung, die im Gegensatz zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht". Zusammenfassend gesagt: "Radikal ist nicht gleich extremistisch, aber extremistisch ist gleich verfassungsfeindlich." Gruppen oder Parteien, die so eingeschätzt werden, werden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht. Diese Definition hat sich auch in akademischen Kreisen durchgesetzt. So wird in der Politikwissenschaft "Extremismus" als gemeinsamer Oberbegriff für Demokratiefeindlichkeit benutzt. Der Begriff wird hier einer demokratischen Verfassung gegenübergestellt, die die Menschenrechte gesetzlich garantiert.
Gegen diese Auslegung regt sich jedoch Widerstand, zum Beispiel von Seiten des Berliner Historikers Wolfgang Wippermann, der politische Erwägungen hinter der Benutzung des Begriffs Rechtsextremismus sieht. Seiner Auffassung nach ist der Begriff "Extremismus" keineswegs mit "verfassungswidrig" identisch, weil die Gefahren für den Bestand der Demokratie nicht ausschließlich von den Extremen kommen müssten: "Sie können auch aus der Mitte der Gesellschaft und von oben kommen." Die Auseinandersetzung um die Deutung der Begriffe scheint also noch nicht ausgestanden.
Der Autor ist freier Journalist in Berlin.