Wenn eine Partei im Absturz ist, müsste sie eigentlich froh sein, einen "harten Kern" zu haben, der sie vor dem Fall ins Nichts bewahrt. Wie die FPÖ: Aus den 26,9 Prozent des Oktober 1999 waren im November 2002 10 Prozent geworden, begleitet von Niederlagen in allen Ländern und Gemeinden. Doch der Absturz ging weiter - nur 2004 in Kärnten konnte sich die FPÖ verbessern.
Diese Erfahrung veranlasste den früheren Obmann der FPÖ, Jörg Haider, die Rolle des Retters in der Not zu übernehmen: Er gründete im Frühjahr 2005 eine neue Partei, das "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ), dem sich alle Regierungsmitglieder der FPÖ und die meisten der freiheitlichen Parlamentarier ebenso anschlossen wie die letzte Obfrau der FPÖ, Ursula Haubner - Haiders Schwester.
Was zunächst wie ein Etikettentausch ausgesehen hatte, erwies sich als Kernspaltung: In den meisten Ländern außerhalb Kärntens blieb die Mehrheit der Funktionäre in der alten FPÖ. Und diese zeigte sich zählebiger als von Haider gedacht: Zwischen FPÖ und BZÖ begannen bald heftige Grabenkämpfe, bei denen es auch um Geld beziehungsweise Schulden ging.
Die Unterscheidung zwischen "blau" (die traditionell der FPÖ zugeschriebene Farbe) und "orange" (Haiders neuem Styling) war vor allem in strategischen Fragen erkennbar: Das BZÖ wollte sich als Juniorpartner der von der gemäßigt rechten ÖVP geführten Regierung profilieren, die alt-neue FPÖ gerierte sich als Oppositionspartei.
Die FPÖ unter ihrem neuen Obmann Heinz-Christian Strache versuchte, mit dem Rezept zu punkten, mit dem Haider bis 1999 so erfolgreich war: laute Töne gegen Einwanderung und gegen die EU. Das BZÖ wollte sich eher gemäßigt und konstruktiv geben - sah sich aber doch gezwungen, mit Forderungen wie der nach der Verschärfung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft rechte Positionen Straches streitig zu machen.
Haider neu unterschied sich nicht wirklich von Haider alt. Das BZÖ mobilisierte entlang der von der FPÖ gewohnten Linien: gegen Überfremdung, gegen Zuwanderung, gegen "Identitätsverlust", gegen die "Bürokraten in Brüssel", gegen die Beitrittsbemühungen der Türkei. Die Agenda des BZÖ war vertraut - die Tonstärke freilich gemildert durch das erkennbare Bemühen, den Koalitionspartner ÖVP nicht zu verärgern.
Das wiederum konnte sich Strache leisten: Er erklärte seine Partei zur Opposition und verhielt sich dementsprechend. Haiders Glaubwürdigkeit war herausgefordert: Wem sollten die folgen, die ihm bis 1999 gefolgt waren - dem alten Parteiführer, dessen Themen vertraut waren, der aber durch die Sorge um Regierungsämter gebremst schien; oder dem neuen, der ohne solche Kalküle die alten Haider-Parolen ungefiltert zu vertreten schien?
Die erste Probe, wer das Feld rechts von der ÖVP beherrscht, war die Landtagswahl in der Steiermark am 2. Oktober 2005. Die FPÖ verlor wiederum dramatisch, aber das BZÖ erwies sich als kaum existent. Die FPÖ verfehlte mit 4,6 Prozent (2000: 12,4 Prozent) knapp den Einzug in den Landtag. Das BZÖ aber kam mit 1,7 Prozent nicht einmal in Sichtnähe des Landesparlaments. FPÖ und BZÖ gemeinsam konnten nur etwa die Hälfte der Stimmen erreichen, die fünf Jahre davor der "alten" FPÖ zugefallen waren.
Die zweite Probe fand erst gar nicht statt. Bei der Landtagswahl in Burgenland am 16. Oktober trat das BZÖ nicht an. Bei der Wahl in Wien am 23. Oktober standen FPÖ und BZÖ abermals einander gegenüber. Das Resultat: Die FPÖ verlor (14,9 statt 20,2 Prozent), doch der Verlust hielt sich in Grenzen. Das BZÖ aber war mit 1,2 Prozent kaum wahrnehmbar.
Wenige Monate nach seiner Gründung ist deutlich, dass das strategische Kalkül Haiders nicht aufgeht: einen Neuanfang zu signalisieren, der Zuversicht vermittelt und die Freiheitlichen (unter dem Namen BZÖ) als Mehrheitsbeschaffer der ÖVP im politischen Spiel lässt. Offenkundig ist rechts von der Volkspartei kein Platz für zwei Parteien. Und offenkundig reicht Haiders Rest-Charisma nicht aus, diesen einen Platz mit einer Neugründung zu besetzen. Wenn schon, dann hat die alte Marke FPÖ Aussicht, als Partei zu überleben.
Bleibt das BZÖ als regionales Phänomen in Kärnten: In diesem Land, in dem die FPÖ mit Haider 2004 mehr als 40 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, ist die Transformation wahrscheinlich gelungen - aus der FPÖ ist das BZÖ geworden. Unter der alten Etikette sammelt sich nur noch ein Rest.
Wen wundert es, dass nach dem 2. Oktober Stimmen laut werden, die einer Versöhnung zwischen Haider und Strache, zwischen BZÖ und FPÖ das Wort reden? Das wäre eine rationale Antwort, das könnte das Überleben zumindest einer weit rechts stehenden Partei ermöglichen. Inhaltlich sind die beiden ohnehin nicht wirklich auseinander.
Doch Haider hat nun die schlechteren Karten. Die FPÖ ist relativ stärker, das BZÖ hat wenig bis nichts zu bieten. Warum also sollte die zwar geschwächte, aber existente FPÖ mit dem nur aus Regierungs- und Parlamentsfunktionären und einer Kärntner Organisation bestehenden BZÖ von gleich zu gleich verhandeln? Das BZÖ müsste sich schon unterwerfen, wenn es zu einer Wiedervereinigung kommen soll. Und das ist von Haider kaum zu erwarten.
Die Lehre, die daraus zu ziehen ist? Eine Partei aus der Retorte zu gründen, mit einem Marketing-Konzept ("orange") und der einzigen Strategie, die Regierungsbeteiligung zu sichern - eine solche Kunstpartei kann nicht reüssieren. Vor allem dann nicht, wenn der geschrumpfte freiheitliche Kern ja noch immer das Produkt alt vor sich hat, das ihm vertraut ist. Im ersten Anlauf hat sich Haiders Neugründung jedenfalls als substanzloses Konstrukt erwiesen, das vergeblich nach einem Nischenplatz im österreichischen Parteiensystem sucht.