Hausaufgabenbetreuung und Aufbau von Schülerzeitschriften: Zum Programm der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) gehört das längst. Gerade organisieren im thüringischen Ilmkreis Neonazis Fußballturniere für Gleichgesinnte, wie am 18. Juni in Pennewitz. Wenige Wochen zuvor veranstaltete die JN ein Zeltlager bei Görlitz. Auf dem Programm stand neben gegrilltem Schwein auch nationalsozialistische Propaganda.
Die Offensive zeigt Wirkung: Immer mehr Gymnasiasten und Studenten nutzen die Freizeitangebote der NPD. Mit Spaziergängen, Zeltlagern und der Besichtigung von Naturdenkmälern locken die Rechtsextremen Jugendliche, die sich an der Wandervogelbewegung orientieren und ein starkes Naturbedürfnis haben. Mit Feldschlachten, wie sie in Sachsen von Sympathisanten der inzwischen verbotenen militanten Gruppe "Skinheads Sächsische Schweiz" organisiert wurden, erreicht die Szene Anhänger mit einer Faszination fürs Mittelalter. NPD-Frauen in Niedersachsen treffen sich in Krabbelgruppen und machen Ausflüge zu Denkmälern oder Kinderspielplätzen.
Musikalisch erstreckt sich das Angebot von traditioneller Volksmusik, "Weisen" von Liedermachern, Skinheadrock, Heavy- oder Black Metal, Dark Wave, Gabba bis zum HipHop. Weit mehr als 50 szeneeigene Vertriebe leben inzwischen in Deutschland von einer breit gefächerten Musikszene, die in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen andocken kann. Der Neonazi Thorsten Heise, früher aktiv in der mittlerweile verbotenen Partei FAP, heute im NPD-Bundesvorstand, lebt selbst von brauner Musik und Szeneliteratur mit seinem "W&B Versand" im thüringischen Fretterode. Er sagt: "Wir wollen mit unserer Musik Botschaften transportieren. Wenn Sie einen jungen Mann oder eine junge Frau fragen, wie bist du zur nationalen Bewegung gekommen, ist die Antwort oft, ich habe ein Lied von Frank Rennicke gehört." Liedermacher Rennicke war Kader der ebenfalls verbotenen "Wiking Jugend" und gehört heute zu den Publikumsmagneten der NPD. Viele seiner Machwerke hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Doch der "nationale Barde" produziert immer neue Tonträger und verdient am expandierenden nationalen Markt. Dokument für das rasante Wachstum der Szene ist die Entwicklung der rechtsextremistischen Skinheadbands, deren Zahl von 30 im Jahre 1993 auf 106 im vergangenen Jahr kontinuierlich gestiegen ist. 2004 gaben sie allein 137 Konzerte.
Daneben ist rechtsextreme Musik mittlerweile fester Bestandteil von Parteitagen, Wahlkampfveranstaltungen, aber auch bei Anlässen wie dem Pressefest des NPD-nahen "Deutsche Stimme"-Verlages im Sommer 2004 im sächsischen Mücka, das zu einer Art regionalem Volksfest mutierte und 6.000 bis 7.000 Besucher anzog. An den Verkaufsständen in Mücka wurden neben einschlägiger Literatur und Tonträgern auch diverse Gebrauchsgegenstände mit Runenverzierung, Germanische Jahrweiser, keltischer Schmuck vor allem aber Kleidung angeboten. Beliebt sind Bomberjacken von Londsdale oder Polohemden von Fred Perry, Hersteller, die für das Interesse der rechtsextremen Käufer nichts können und sich zum Teil öffentlich von diesem Klientel distanzieren. Immer mehr jedoch drängen rechtsextreme Produzenten wie Walhalla, Masterrace, auf Deutsch "Herrenrasse", oder Condsaple, eine Kollektion mit der sinnigen Buchstabenfolge NSDAP im Logo, ins Geschäft. "Es ist ein riesiger Markt da", sagt der Neonazi Thorsten Heise. "Thor Steinar beispielsweise, eine nationale Marke, wird getragen von HipHoppern. Das ist hip. Das rückt in die Mitte der Gesellschaft. Bevor man es merkt, ist es längst Mode, und man sagt, ist mir doch egal. Das ist ja der Sinn der Sache, wir wollen ja indoktrinieren."
Dieses Merchandising bringt Geld in die braunen Kassen, zugleich mutieren Läden in ganz Deutschland zu Treffpunkten der Szene. Hier gehen nicht nur CDs und Kleidungsstücke über den Ladentisch, sondern auch Einladungen zu Konzerten und Parteitagen.
Für Sympathisanten, die den direkten Kontakt scheuen, gibt es das Internet. Es ist in den Händen der Rechtsextremisten zu einem der effektivsten und vielseitigsten Medien avanciert. "Das Internet hat mehr zu unserer Vereinigung beigetragen als irgendein Pamphlet, das jemals gedruckt worden ist", so die Einschätzung der NS-Skinbewegung Blood & Honour.
Gerade in den Fangemeinden von Kriegs- und Gewaltspielen sind zudem rechtsextreme Spielegemeinschaften präsent, die direkt bei der Spielleidenschaft vieler Jugendlicher andocken.
Antidemokratische Propaganda online, dazu ein Füllhorn von Links - den Rechtsextremisten erschließt sich damit eine völlig neue Subkultur für ihre verfassungsfeindliche Agitation.
Die Autoren arbeiten als freie Journalisten in Wiesbaden.