Kleinreden nützt nichts. Es gibt sie in Europa: die Rechtsextremisten und Rechtspopulisten vom Schlage eines Le Pen oder Haider, die Nationalisten und Revisionisten wie Lepper oder Fini. Nichts wäre leichtfertiger, als sie zu einem Randphänomen herunterzuspielen. Überall in Europa, auch in den jungen Demokratien Osteuropas, haben sich die radikalen Rechten längst ihr (Stamm-) Plätzchen gesucht und gerieren sich mit fremdenfeindlicher und nationalistischer Rhetorik als wahre Apostel der vermeintlich Zu-Kurz-Gekommenen wie der Besitzstandswahrer.
In Belgien und Frankreich gehört die extreme Rechte längst zum politischen Establishment, in Dänemark, Italien, Österreich und seit neuestem auch in Polen sitzen Rechtspopulisten sogar in der Regierung. Der Front National unter Führung von Jean-Marie Le Pen gewinnt in Frankreich seit über 20 Jahren regelmäßig zwischen zwölf und 15 Prozent der Stimmen, 2002 hätte der wegen seiner rassistischen Äußerungen berüchtigte 78-Jährige um ein Haar sogar die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Michael Minkenberg von der Europa-Universität Viadrina berichtet in dieser Ausgabe zudem von einer wachsenden Szene gewalttätiger rechter Gruppen und Skinheads in Osteuropa. Insgesamt, so seine Analyse, seien "nationalistische Rhetorik und das ethnische Konzept der Nation" in den neuen Mitgliedstaaten der EU weit verbreitet.
Und mehr noch: Nie zuvor waren populistische Parteien so zahlreich im Europa-Parlament vertreten wie heute. Einige von ihnen, wie die Dänische Volkspartei und die italienische Alleanza Nazionale, haben sich in der Fraktion der "Union for a Europe of Nations" (UEN) zusammengeschlossen, es gibt sogar Überlegungen hinsichtlich einer umfassenden Fraktionsbildung einer "Euro-Rechten", wie Britta Schellenberg vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) in ihrem Beitrag schreibt.
Selbst dort, wo noch keine Populisten mitregieren, trifft ihre Polemik bisweilen auf fruchtbaren Boden: In den Niederlanden, so stellt unsere Autorin Jeannette Goddar fest, hat die Regierung des Christdemokraten Jan Peter Balkenende gerade eines der restriktivsten Asyl- und Einwanderungsgesetze Europas erlassen. Vom friedlichen Multikulti-Miteinander in Holland ist - erst recht nach dem Mord an dem islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh - nicht mehr viel zu spüren: Im vergangenen Jahr erlebte das Land eine beispiellose Welle rechtsextremer Gewalt.
Und Deutschland? Fast möchte man sich angesichts der mageren 1,6 Prozent der NPD bei den jüngsten Bundestagswahlen entspannt zurücklehnen und darauf verweisen, dass es hier noch keiner rechtsextremen Partei gelungen ist, sich bundesweit zu etablieren. Selbst in den Landesparlamenten von Brandenburg, Sachsen und Bremen sind die Abgeordneten von DVU und NPD weit davon entfernt, Politik tatsächlich mitzugestalten.
Grund zur Entwarnung gibt es trotzdem nicht, wie zahlreiche Autoren in dieser Ausgabe betonen: Die Zahl der Gewalttaten mit rechsextremem Hintergrund steigt kontinuierlich an, in einigen Kommunen Deutschlands wählten im September weit über zehn Prozent NPD. Mit Rechtsrockkonzerten, Musikverlagen und eigenen Klamotten-Labels werben die Kader offensiv um Nachwuchs, längst hat sich besonders im Osten eine rechtsextreme Subkultur herausgebildet, für die das Abschneiden bei Wahlen allein nicht zählt.
Und das Internet tut sein Übriges: Über virtuelle Diskussionsforen und E-Mail-Programme sind die Rechten Europas so stark vernetzt wie nie und erreichen so weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus ihre Anhänger - die Extremisten, so eines der Ergebnisse unserer Recherchen, wissen das allmähliche Schwinden staatlicher Grenzen im Rahmen der Globalisierung offenbar sehr wohl für ihre nationalen Interessen zu nutzen.
Johanna Metz Die Autorin ist Volontärin bei "Das Parlament".