Bestand das Hochschulstudium bisher aus einem einzigen Block, wird der Bachelor künftig zwischen sechs und sieben Semestern dauern. Das darauf aufbauende Masterstudium ist meist auf drei oder vier Semester konzipiert. Doch fast wichtiger als die Reform der Studienpläne ist die Frage, ob die potenziellen Arbeitgeber auf diesen Zug aufspringen. Vielen deutschen Unternehmenschefs waren die Begriffe "Bachelor" und "Master" zum Jahrtausendwechsel noch nahezu unbekannt. Doch mittlerweile haben sich die neuen Abschlüsse herumgesprochen. Vor allem große Konzerne wie Siemens oder DaimlerChrysler kennen sie aus ihrem internationalen Geschäft. Bereits in mehr als 80 Prozent aller Länder verlassen die Absolventen ihre Universität mit einem Bachelor oder Master in der Tasche. Auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in Düsseldorf hat die Zeichen der Zeit erkannt: "Ein weltweit einheitliches Studiensystem schafft mehr Mobilität und ermöglicht eine bessere arbeitsmarktbezogene Qualifizierung", propagiert VDI-Präsident Eike Lehmann. Um die heilige Kuh des Diploms nicht gänzlich zur Schlachtbank zu führen, legte er nach: "Jedoch muss die hervorragende Qualität der bisherigen Ingenieursausbildung in Deutschland gesichert sein."
Der VDI hat sich für die Studienreform ausgesprochen, obwohl ein Bachelorstudent in sechs Semestern auf keinen Fall die gleiche Stoffmenge bewältigen kann wie früher in einem achtsemestrigen Diplomstudium. Die Industrie sieht die Gefahr, dass die neuen, kürzeren Studiengänge mit Faktenwissen überfrachtet werden und dabei soziale Kompetenzen zu kurz kommen. "Wir dürfen die Absolventen nicht durch zu viel Frontalunterricht verschulen", warnt Klaus-Jürgen Wilhelm, ehemaliger Marketingchef bei ABB und Vorsitzender einer Beratergruppe zur Akkreditierung von Studiengängen. "Die Selbstständigkeit der Absolventen muss erhalten bleiben." Was ein Bachelor letztendlich leisten muss, weiß auch er noch nicht genau. Erfahrungen mit den neuen Abschlüssen gibt es kaum, denn "bisher haben wir nur wenige deutsche Absolventen mit Bachelor oder Master eingestellt", gibt Wilhelm zu. Aber an einem ehernen Grundsatz der Personalpolitik mag der Manager nicht rütteln: "Letztlich entscheidet die persönliche Eignung."
Für Klaus-Jürgen Wilhelm sind die neuen Abschlüsse nicht mehr aufzuhalten: "Sie kommen sowieso, spätestens in zwölf Semestern." Deshalb hat der Stifterverband der deutschen Wissenschaft schon vor einem Jahr die Personalchefs der größten deutschen Unternehmen zusammengetrommelt, um die Industrie auf die Veränderungen an den Hochschulen einzustimmen. "Dieser Prozess kommt einer jahrelangen Forderung der Wirtschaft entgegen: nach jüngeren Absolventen mit praxisbezogener Hochschulausbildung und international vergleichbaren Studienabschlüssen", bestätigt Norbert Bensel, Personalvorstand der Deutschen Bahn AG. "Es ist deshalb wichtig, für diese Absolventen auch Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt zu schaffen." Die Liste der Unterzeichner der Deklaration "Bachelors welcome" des Stifterverbandes ist beeindruckend; sie liest sich wie das "Who is Who" der deutschen Personalmanager.
Dieses Trommelfeuer zeigt Wirkung, auch bei den kleinen und mittelständischen Betrieben, die traditionell eher dem deutschen Arbeitsmarkt verhaftet sind und ihren Nachwuchs kaum außerhalb der Grenzen rekrutieren. Eine taufrische Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kommt zu dem Schluss, dass Bachelorabsolventen mittlerweile in zwei Dritteln der Unternehmen die gleichen Karrierechancen haben wie traditionelle Absolventen mit Diplom oder Magister. In Unternehmen, die bereits Bachelorabsolventen beschäftigen, steigt dieser Anteil auf 73 Prozent.
Befragt wurden mehrere Tausend Unternehmen aus allen Branchen, die Aktion lief zwischen Mai und Juni des vergangenen Jahres. 672 Firmen schickten ihre Fragebögen ausgefüllt zurück. Es zeigte sich aber, dass trotz der vollmundigen Versprechungen der Personalchefs noch Defizite existieren: Nur ein Viertel der größeren Unternehmen gab an, bereits Bachelorabsolventen eingestellt zu haben. Zwei Drittel aller Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern haben mit ihnen bislang noch keine Erfahrungen gemacht. Bei Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten klafft diese Schere noch weiter: Nur fünf Prozent beschäftigen Absolventen mit Bachelor.
Die Umstellung der Studiengänge steht bundesweit noch am Anfang. Das bedeutet: Die erste große Welle von Absolventen mit Bachelor in der Tasche wird frühestens in zwei oder drei Jahren auf den Arbeitsmarkt fluten, dann jedoch wie eine Lawine. Der klassische Diplomingenieur hingegen dürfte binnen weniger Jahre aussterben. Deshalb verwundert es nicht, dass fast 80 Prozent aller befragten Unternehmen den Bachelor als Einstiegsqualifikation akzeptieren. Fast ebenso hoch ist die Wertschätzung des Masters, der ein Aufbaustudium nach dem Bachelor darstellt. Vorbehalte gegen die neuen Abschlüsse haben ein Zehntel aller Unternehmen geäußert, vor allem kleine Firmen zeigen Informationsdefizite. Die Akzeptanz der neuen Studiengänge steigt deutlich mit der Unternehmensgröße an.
Interessante Details verrät die Studie des Kölner Wirtschaftsinstituts, wenn es um die Vergleichbarkeit des Bachelor mit einem Diplom geht. Nur knapp 30 Prozent der Unternehmen stellen den neuen Abschluss mit den traditionellen Hochschulabschlüssen gleich. Fast 40 Prozent sehen den Bachelor als äquivalent zum Fachwirt oder Meister. Ein Drittel der Firmen behält sich vor, die Zuordnung im Einzelfall zu prüfen. Wer mit einem Bachelor ins Unternehmen einsteigt, muss sich zudem deutlich länger als der Inhaber eines Diploms bewähren, bevor sie oder er die Karriereleiter nach oben steigen darf. Das kürzere Bachelorstudium zahlt sich also innerhalb der beruflichen Karriere kaum aus. Durch längere Aufstiegszeiten und damit einhergehend geringeres Einkommen macht der Absolvent unter dem Strich kaum etwas gut. Nur wer einen Master dran hängt, kann die Vorteile des zweistufigen Systems voll nutzen und bis in die Chefetage durchstarten. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen haben dies in der Umfrage des IW klar bestätigt.
Noch völlig offen ist, wie sich der Öffentliche Dienst zu den neuen Abschlüssen verhält. Bisher ist die Besoldung der Beamten an das Diplom gebunden. Absolventen einer Universität erhalten bisher mehr Geld als die Abgänger einer Fachhochschule, denen zudem der Aufstieg in eine höhere Beamtenlaufbahn erschwert wird. Bachelor und Master aber werden die Unterschiede zwischen den Hochschultypen verwischen. Welche Ungereimtheiten bisher herrschen, beweist das Bundesland Berlin, das die Ausbildung von Lehrern auf Bachelor umgestellt hat: Im neuen Schulgesetz stellte Bildungsminister Klaus Böger (SPD) allen angehenden Lehrern in Aussicht, dass sie mit einem Bachelor nicht zum eigenständigen Unterricht vor einer Schulklasse zugelassen werden. Ein anderes Beispiel: Die Landesinnenminister signalisieren, dass die Einstiegsgehälter für Bachelorabsolventen teilweise deutlich unter denen der früheren Diplomanden liegen werden. Die Bundesländer sehen die einmalige Chance, ihre Haushalte zu entlasten. Die akademische Ausbildung wird dadurch - zumindest beim Bachelor - massiv entwertet.