Wie kaum ein anderer hat er die deutsche Politik geprägt: Als er im Mai 2004 aus dem Amt des Bundespräsidenten schied, konnte Johannes Rau auf mehr als 50 Jahre politischen Wirkens zurückblicken. Fast zwei Jahrzehnte regierte der Sozialdemokrat Nordrhein-Westfallen, war das mit Abstand am längsten amtierende Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages und bereits zuvor Oberbürgermeister von Wuppertal. Über die Parteigrenzen hinweg und über Deutschland hinaus erwarb sich der "Bürgerpräsident" Respekt für seine Politik, die er "ein Stückchen menschlicher" machen wollte, wie er in einer Rede im Dezember 1985 sagte. Dabei halfen ihm oft sein Sinn für Humor – Rau war bekannt für seine Witze und Anekdoten – und die Gabe, auf Menschen zuzugehen und Konflikte zu schlichten. Der passionierte Skatspieler galt deswegen lange Jahre als der beliebteste deutsche Politiker. Aber auch politische Rückschläge blieben Rau nicht erspart: 1987 unterlag er Helmut Kohl im Wahlkampf um die Kanzlerschaft und 1994 Roman Herzog bei der Wahl um das Amt des Bundespräsidenten. Eine besondere Beziehung verband Rau mit Israel. Als erstes deutsches Staatsoberhaupt sprach er im Februar 2000 vor der Knesset und bat das jüdische Volk und Israel in deutscher Sprache um Vergebung für den Holocaust. Diese Geste wurde später oft als der Höhepunkt seiner Amtszeit gewertet.
Seinem Grundsatz "versöhnen statt spalten" ist Johannes Rau sein Leben lang treu geblieben, auch wenn er – der bibelfeste "Bruder Johannes" – zuweilen dafür belächelt wurde. Dass er dieses Motto auch mit Leben zu füllen vermochte, zeigte sich zuletzt an den Reaktionen nach seinem Tod: Mit Trauer und großen Respekt vor seinen Verdiensten um Deutschland würdigten politische Weggefährten und frühere Widersacher seine Lebensleistung.
Als einen der bedeutensten Politiker der Nachkriegszeit bezeichnete den Verstorbenen sein Nachfolger im Amt, Bundespräsident Horst Köhler: "Es entsprach seinem Wesen, Brücken zu bauen statt Gräben zu ziehen. Er hat sich immer mit ganzer Kraft für das Wohl seiner Mitmenschen eingesetzt." "Wir werden Johannes Rau nicht vergessen", versicherte Köhler.
"Er war vor allem eines: Ein Freund der Menschen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Presse. In seinem Engagement für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Völkerversändigung sei er ein "leuchtendes Beispiel" gewesen.
"Wir haben einen unersetzlichen Freund verloren", erklärte für die Sozialdemokratie der Vorsitzende der SPD, Matthias Platzeck. "Er wird uns fehlen."