Den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP erschien die Idee damals schon absurd. 20 Jahre später dürften auch manche Politiker der Grünen, inzwischen selbst regierungserfahren, darüber schmunzeln. "Warum nehmen Sie den Bürger nicht ernst als Individuum und sagen: Okay, wer das Ding haben möchte, kann es haben, und wer das nicht haben möchte, kann den Ausweis haben, den er haben will." Hans-Christian Ströbele, Obmann der Grünen im Innenausschuss, erhielt für diesen Vorschlag in der Bundestagsdebatte am 28. Februar 1986 nur empörte Zwischenrufe von der Union: "Sie sind eine Sicherheitsgefährdung!"
Auf der Tagesordnung standen Gesetzentwürfe zur Einführung eines maschinenlesbaren Personalausweises und Europa-Passes sowie die Einfügung des neuen Paragrafen 163d in die Strafprozessordnung. Dieser sollte die Speicherung personenbezogener Daten beim automatischen Lesen des Ausweises oder Passes im Rahmen der Strafverfolgung bei einer Personen- oder Grenzkontrolle neu regeln. Der Paragraf wurde von der Opposition, SPD und Grünen, ebenso heftig kritisiert wie die Einführung des Ausweises. Mit der Mehrheit der Koalition billigte der Bundestag schließlich die Vorhaben.
Gegen die Notwendigkeit eines fälschungssicheren Ausweises hatten die Sozialdemokraten grundsätzlich nichts einzuwenden. Ende der 70er-Jahre hielten die Anschläge der RAF die Bundesrepublik in Atem. Und es war die SPD, damals noch Regierungspartei, die vehement für einen neuen Ausweis eingetreten war. Warum sich die Partei nun gegen den maschinenlesbaren Ausweis wehrte, begründete ihr Abgeordneter Gün-ther Tietjen damit, dass es keinen Beleg für einen Sicherheitsgewinn durch diese Dokumente gebe. Er bezog sich dabei auf Äußerungen von Sicherheitsexperten. Außerdem warf er der Regierung vor, es "sträflich unterlassen" zu haben, "die datenschutzrechtlichen Bedenken aufzugreifen". Für ihn stellte der Ausweis "ein Instrument der ungezügelten Kontrolle des Bürgers durch den Staat" dar.
Die Regierung verteidigte dagegen ihre Pläne, die grauen, seit den 60er-Jahren gebräuchlichen Ausweise zu ersetzen. Die neuen Kunststoffkarten sollten ab 1987 gelten und eine Zone für das automatische Lesen in Comuterschrift enthalten (ebenso wie die neuen Reisepässe). Name, Geburtstag, Seriennummer und Gültigkeitsdauer des Ausweises konnten so in Sekundenschnelle von den Behörden erfasst werden. Um einen Missbrauch des Ausweises zu verhindern, legte die Regierung fest, dass diese Zone keine weiteren Angaben über den Inhaber oder Hinweise auf solche enthalten dürften. Das Gesetz verbot außerdem, den Ausweis im öffentlichen Bereich zur automatischen Erschließung von Dateien zu verwenden. Ausgenommen waren die Personalausweisbehörden, die mit Hilfe der Seriennummer ihre eigenen Daten abrufen konnten. Auch Polizei- und Zollbehörden war es erlaubt, im Rahmen von Fahndungen und Grenzkontrollen den Ausweis zur Abfrage im polizeilichen Fahndungsbestand zu nutzen. Im nichtöffentlichen Bereich war es grundsätzlich verboten, die Ausweise zur automatischen Erschließung und Einrichtung von Dateien zu gebrauchen.
Für den CDU-Abgeordneten Joachim Clemens trug die Kritik von SPD und Grünen am fehlenden Datenschutz deshalb "hysterische" Züge: "Für das Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden habe ich überhaupt kein Verständnis." Er fragte: "Wo kämen wir eigentlich hin, wenn wir Polizei- und Sicherheitsbehörden auf überholtes Handwerkszeug festlegen wollten", während auf der anderen Seite "Verbrecherbanden mit modernster Technik hervorragend organisiert" seien?
Burkhard Hirsch, FDP-Obmann im Innenausschuss, wies die Kritik der Opposition ebenfalls zurück: Das Entscheidende sei nicht die Maschinenlesbarkeit, "wenn wir doch wissen, dass die entsprechenden Daten sonst mit der Hand des Polizeibeamten in die Datenverarbeitung eingegeben würden".
Die Grünen, wie auch die SPD, ließen sich von ihrer Ablehnung nicht abbringen. Für sie bedeutete das Dokument eine erhebliche Unterhöhlung des Datenschutzes. Der Grünen-Politiker Ströbele sah die Gefahr darin, dass "dieser Schlüssel, den Sie da schaffen, die Begehrlichkeit allüberall, im privaten und im öffentlichen Bereich wecken wird, ihn zu benutzen und immer mehr Möglichkeiten für die Anwendung zu schaffen."
Im Personalausweisgesetz, zuletzt geändert im März 2002, heißt es: Der Ausweis "darf neben dem Lichtbild auch weitere biometrische Daten von Fingern oder Händen oder Gesicht des Personalausweis-inhabers enthalten". Andere Zeiten.