Auf der Suche nach einem Eigenheim im Grünen stieß Mirza H. eines Tages auf eine Zeitungsannonce: "Einfamilienhaus mit 2.500 Quadratmeter großem Grundstück außerhalb von Sarajewo zu verkaufen", hieß es dort, und der Verkaufspreis schien ihm so günstig, dass er mit dem Besitzer der Liegenschaft schnell einen Besuchstermin vereinbarte. Dass ihn der Eigentümer geradezu drängte, den Kaufvertrag zu unterschreiben, machte Mirza H. misstrauisch: Als Bürger der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina wusste er, dass unvorsichtige Immobilienkäufer dort bisweilen ihr blaues Wunder erleben können. Und so besorgte er sich im Grundbuchamt den entsprechenden Auszug und staunte nicht schlecht: Demnach betrug die Fläche im Besitz des Eigentümers in Wirklichkeit nur 1.300 Quadratmeter. Den Rest hatte der Vater des Verkaufswilligen schon Jahrzehnte zuvor aus angrenzendem staatlichen Landbesitz klammheimlich hinzugenommen und mit einem Zaun versehen, ohne von den Behörden dafür jemals zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.
Bisweilen laufen Immobilieninteressenten in Bosnien-Herzegowina auch Gefahr, neben Grund und Boden darauf ruhende Schulden des Vorbesitzers übernehmen zu müssen. Und bei gewerblichen Immobilien wie etwa Fabriken ist es schon vorgekommen, dass der neue Besitzer unerwartet mit Lohnrück-standsforderungen konfrontiert wurde. Unklare Land- und Immobilienbesitzverhältnisse erschweren das Entstehen eines marktwirtschaftlich orientierten Immobilienmarktes. Das hat sich in den vergangenen Jahren als eines der wesentlichen Hindernisse für den Wirtschaftsaufschwung des 4,2 Millionen Einwohner zählenden Landes erwiesen.
Grundbuch und Kataster sowie Notariats- und Sachenrecht brauchen neue gesetzliche Grundlagen und daran arbeiten gegenwärtig die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die österreichische sowie die schwedische Kooperation. Ein wichtiger Schritt ist der laufende Aufbau eines elektronischen Grundbuchs und die Ausbildung von Grundbuchreferenten. Sie sollen die bisher zuständigen Grundbuchrichter ablösen.
Ein modernes, westlich geprägtes Grundbuchwesen erhielt das jahrhundertelang zum Osmanischen Reich gehörende Land erstmals Ende des 19. Jahrhunderts. Das System überdauerte die Weltkriege und behielt auch während der kommunistischen Periode zumindest formal seine Gültigkeit. "Allerdings wurde bei Transfers nicht immer gewissenhaft nachgetragen, die Aufzeichnungen waren nicht mehr auf dem neuesten Stand. Oft wurden schriftliche Vereinbarungen außerhalb des Grundbuchs getroffen", erläutert Michael Weiner von der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in Sarajewo.
Als schwerer Eingriff in das Grundbuchwesen erwies sich das 1984 erlassene Immobilienkatastergesetz, wodurch in Jugoslawien Katasterwesen und Grundbuchamt zusammengelegt wurden. Das neu entstandene Grundbuchgericht bildete von da an einen Teil der politischen Exekutive, womit willkürlichen Entscheidungen Tür und Tor geöffnet waren. Um die Rechtssicherheit zu verbessern, führte Bosnien-Herzegowina 2003 das am deutschen Modell orientierte Grundbuchgesetz ein. Seither ist die Judikative für das Grundbuch verantwortlich.
Unterdessen werden in 75 Prozent der Grundbuchämter im gesamten Land die aus den alten K.u.K-Verzeichnissen entnommenen Daten eingespeist. Es handelt sich um 220.000 Grundbuchblätter.