Napoleon brachte es auf den Punkt: "Vier feindselige Zeitungen sind mehr zu fürchten als tausend Bajonette." Als Staatsmann und Feldherr wusste der Franzosenkaiser aus eigener Erfahrung, dass Kriege nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Menschen gewonnen und verloren werden können.
Die Kriegsberichterstatter - seien es zivile wie Journalisten oder militärische wie in den Propagandakompagnien der Wehrmacht - und ihre Arbeit stehen im Mittelpunkt des Buches "Augenzeugen", das die Historikerin Ute Daniel herausgegeben hat. An neun Bespielen spannt das Autorenteam des Sammelbandes einen Bogen über 250 Jahre der Kriegsberichterstattung - beginnend beim Siebenjährigen Krieg bis zu den Kriegen nach 1989. Dass bei einem so langen Untersuchungszeitraum dargestellt auf 264 Seiten einige Aspekte auf der Strecke bleiben, versteht sich von selbst. Und so ist die Publikation vor allem als "Einstiegshilfe konzipiert, die ein unwegsames, durch historische Detailforschung erst noch zu vermessendes Gelände mit einigen sicheren Trittstufen versehen soll". In diesem Sinne vorbildlich ist die 25-seitige kommentierte Auswahlbibliografie, die nicht nur Quellen und Literatur zum Thema aneinanderreiht, sondern kurze und präzise Angaben über deren Inhalt und Autoren liefert.
"Augenzeugen" ist - bei einem wissenschaftlichen Sachbuch ist dies lobend hervorzuheben - nicht nur fachlich fundiert, sondern auch für einen Laien verständlich und spannend geschrieben.
Der Schwerpunkt des Buches liegt mit seinen Beiträgen zum Südafrikanischen Krieg, zum Spanischen Bürgerkrieg, den beiden Weltkriegen und dem Vietnamkrieg auf dem 20. Jahrhundert. Das macht Sinn: Es bietet als das "Jahrhundert der Kriege" nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ reichlich Stoff zur Analyse. Überzeugend legen die Autoren dar, wie der technische Fortschritt in den vergangenen 100 Jahren die Berichterstattung von den Kriegsschauplätzen geprägt hat. So konzentriert sich beispielsweise der Beitrag über den Spanischen Bürgerkrieg auf den Aspekt der Fotoberichterstattung. Der Historiker Gerhard Paul zeigt, wie die Entwicklung von kleineren und besseren Kameras sowie hochempfindlicher Filme die Reporter mobiler machte und es ihnen erlaubte, immer dramatischere Bilder von der Front zu liefern. Der Bürgerkrieg stellte in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur in der Geschichte der Kriegsberichterstattung dar und "veränderte zugleich das Verhältnis des Publikums zum Ereignis Krieg. Dieser wurde zum Medienereignis, das gleichermaßen Informations-, Propaganda- und Unterhaltungswert besaß." Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Aufschlussreich sind auch jene Passagen des Buches, die die Kriegsberichterstatter charakterisieren. Schon früh umgab sie ein elitärer Nimbus in den Medien, immer wieder stehen sie selbst im Zentrum des Geschehens. Ihre gefährliche Arbeit an den Kriegsschauplätzen ferner Länder, so führt der Historiker Lars Klein in seinem Beitrag über den Vietnamkrieg an, versprach Exotik, Abenteuer und Ruhm.
Enttäuschend kurz ist leider die Darstellung über die Zeit nach 1989 ausgefallen. Der Medienwissenschaftler Karl Prümm stellt zwar sehr anschaulich dar, auch anhand gut ausgesuchter TV-Bilder aus dem Irak-Krieg, welche zentrale Rolle das Fernsehen in der heutigen Wahrnehmung von Kriegen spielt. An dieser Stelle wäre aber ein Kapitel etwa über die Bedeutung der Berichterstattung während der Balkan-Konflikte für die erste Kriegsbeteiligung Deutschlands nach 1945 im Kosovo wünschenswert gewesen. Deshalb sei schon jetzt auf die aktualisierte Neuauflage von "Kriegstrommeln" hingewiesen, die in diesem Jahr bei dtv erscheinen soll. Die Publizistin Mira Beham beschrieb bereits in der ersten Auflage (1996) das oft unheilvolle Zusammenspiel zwischen Medien, Politik und Militär in den Kriegen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Ute Daniel (Hg.)
Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21.
Jahrhundert.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006; 264 S., 24,90
Euro
Mira Beham
Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006; 288 S., 10 Euro
(in Vorbereitung, Erscheinungstermin noch nicht
bekannt)