Anders als das Wählen im Internet ist das E-Voting längst erprobte Praxis in der deutschen Politik. Bereits 2,5 Millionen Wähler gaben bei der Bundestagswahl 2005 ihr Votum elektronisch ab. 2.100 von 80.000 Wahllokalen wählen nur noch elektronisch. Zum Einsatz kommen Wahlmaschinen der niederländischen Firma Nedap, die bislang als einzige von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen wurden. Bislang dürfen Wahlämter in Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die elektronischen Wahlmaschinen nicht nur zur Bundestags- und Europawahl, sondern auch für die Landtags- und Kommunalwahlen einsetzen.
Die Geräte können noch am Wahlabend die auf die einzelnen Kandidaten sowie Parteien abgegebenen Stimmen auszählen. Allerdings ist die Auszählung den Augen der Öffentlichkeit entzogen, da es eine von der Technik unabhängige Zählung nicht mehr gibt. Bürger, die keine Wahlgeräte nutzen möchten, müssen auf die Briefwahl ausweichen. Papierstimmzettel werden nur noch für den Notfall bereitgehalten.
Die Wähler zeigen dem Wahlvorstand die Benachrichtigung und den Ausweis. Er schaltet dann das Gerät frei. Der Wähler gibt seine Stimme über eine pultartig angeordnete Folientastatur ab, auf der sich unter einer Schutzfolie der Gerätestimmzettel befindet. Das ist ein Papierbogen, der den sonst verwendeten Papierstimmzetteln entspricht. An der Stelle, an der Wähler sein Kreuzchen machen würde, kann er nun mit Fingerdruck eine Taste betätigen. Irrtümliche Eingaben können mit einer Korrekturtaste korrigiert werden. Auch eine Sondertaste für ungültige Stimmen gibt es. Damit wird die unbewusste Abgabe ungültiger Stimmen unmöglich. Auch gibt es bei der Auszählung keine Zweifelsfragen über die Gültigkeit mehr.
In der Vorreiterkommune Köln kamen die Nedap-Wahlgeräte bereits im Juni 1999 kurz nach ihrer Zulassung zum Einsatz. Die Akzeptanz bei den Wahlberechtigten, aber auch in der Verwaltung und Organisation bezeichnet der Leiter des Kölner Wahlamts, Gerd Rütten, als "sehr gut". Jutta Benesch, Wahlamtsleiterin im brandenburgischen Hennigsdorf freut sich über die kurzen Auszählungszeiten: Das Ergebnis steht bereits kurz nach 18.00 Uhr fest. Zur Bundestagswahl 2002 setzten bereits 29 Kommunen in insgesamt 1.400 Stimmbezirken auf E-Voting, inzwischen sind es 65.
Eine entscheidende Rolle für die Beschaffung spielen die Kommunen. Denn die Kommunalwahlen sind wesentlich komplizierter als die Bundestags- oder Europawahlen. Kosteneinsparungen sind es, die die Kommunen zur Umstellung motivieren. Weil die Handauszählung entfällt, sind weniger Wahlhelfer nötig. Die Zahl der Stimmbezirke lässt sich um ein Drittel reduzieren. In Köln verringerte sich die Zahl der Stimmbezirke von 800 auf 540. Für die Abwicklung sind statt 5.600 nunmehr 2.700 Wahlhelfer nötig.
Die rechtlich entscheidende Frage ist derzeit, ob das nun zugelassene elektronische Verfahren tatsächlich dem Grundsatz der öffentlichen Stimmauszählung entspricht. Das ist bislang politisch nicht diskutiert worden. Jedoch stellte das Bundesarbeitsgericht 1997 fest, dass es für einen Verstoß gegen das Gebot der öffentlichen Auszählung entscheidend ist, ob eine Manipulation durch Dritte hypothetisch möglich ist.
Zwei Wahlbeschwerden bemängeln nun, dass das elektronische Stimmabgabeverfahren mit den Nedap-Wahlgeräten nicht ausreichend sicher sei. Außerdem lasse es sich für den Wähler nicht nachvollziehen, weil es keinen Papierbeleg gebe. Noch wurde über die Beschwerden nicht entschieden.
In Irland hatte eine "Commission on Electronic Voting" der irischen Regierung im vergangenen Jahr abgeraten, bauähnliche Geräte vom gleichen Hersteller einzusetzen. Die Bedenken waren zahlreich: So könne ein gefälschter Wahlzettel eingefügt werden, aber auch die Speicherkarte ließe sich schnell austauschen. Selbst die Software ließe sich manipulieren, weil es keine angemessenen Sicherungen gebe. Schließlich seien keine Belege vorhanden, die eine unabhängige Prüfung des Wahlergebnisses ermöglichen würden.
In Deutschland hat die PTB die Geräte zugelassen, da sie für Hard- und Softwaretests den vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien entsprechen. Die Prüfberichte sind jedoch nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Bislang war dies nur in technischen Fachmedien ein Thema, weshalb die "Initiative Nachrichtenaufklärung" dieses Thema sogar kürzlich in ihre Top-10-Liste der vernachlässigten Nachrichten aufgenommen hat.
Der Staatsrechtler Ulrich Karpen von der Universität Hamburg bezweifelt, ob der gegenwärtige Einsatz überhaupt verfassungsgemäß ist. In einem Interview mit der Computerfachzeitschrift c't stellte er fest: "Unter verfassungsrechtlichen Aspekten ist festzustellen, dass ein Ersatz der Augenschein- und Verständniskontrolle durch Wahlvorstände und andere Mitglieder der Öffentlichkeit durch ein Vertrauen auf die Expertise der Elektronikhersteller und auf das reibungslose Funktionieren eines äußerst komplexen Verfahrens nicht möglich ist." Man müsse darauf achten, forderte Karpen, dass die Wahl so organisiert wird, dass die Öffentlichkeit der Wahlvorbereitung, der Wahldurchführung sowie der Ergebnisauszählung nicht "völlig erodiert" werde.
Einen Ausweg verspricht die Stimmabgabe mit einem digitalen Kugelschreiber. Das Hamburger Landeswahlamt favorisiert derzeit eine Lösung, bei der die Wähler zwar mit einem Stift einen Papierstimmzettel ankreuzen können, bei der gleichzeitig jedoch auch die Stimme elektronisch erfasst wird. Damit ließen sich im Unterschied zur rein elektronischen Stimmerfassung die Stimmen auch per Hand öffentlich nachzählen.
Der digitale Kugelschreiber enthält einen winzigen Scanner, der mit Hilfe einer eingebauten Kamera erkennen kann, an welcher Stelle das Kreuz auf den Stimmzettel gesetzt wird. Dafür sind die Formulare mit einem computerlesbaren Muster unterlegt. Der Stift speichert das Votum ab. Bei der Abgabe des Stimmzettels wird das Gerät wieder an den Wahlvorstand ausgegeben, der die Daten auf einen PC überträgt und den Stift für den nächsten Wähler vorbereitet. Während der Bundestagswahl wurde der Stift bereits in zwei Wandsbeker Stimmbezirken mit 1.900 Wahlberechtigten getestet. Die Wähler konnten nach der eigentlichen Papierwahl in einem Nebenraum freiwillig ihre Stimme auch mit dem Stift abgeben. Im Ergebnis beurteilt "eine eindeutige Mehrheit" sowohl der Wähler als auch der Mitglieder der Testwahlvorstände den Stift "positiv".
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