Das Internet bietet - nicht nur - politischen Akteuren faszinierende und sich ständig weiter entwickelnde Kommunikationsmöglichkeiten. Mehr noch: Es schafft einen völlig neuen Handlungsraum jenseits von Bundestagsdebatten, Straßenwahlkämpfen, Bürgersprechstunden und Parteitagen, der nur genutzt werden muss. Ungefilterte Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern ist gefragt. Bloggen, Chatten, Podcasten und Mailen heißen die Zauberworte, die weit mehr bedeuten als nur technisch auf dem Laufenden zu sein. Die Schwierigkeit besteht nämlich vor allem darin, das Netz nicht nur als zusätzliche Bühne vor einem riesigen Cyberpublikum zu begreifen, sondern als Plattform für den direkten und qualifizierten Austausch mit der Gesellschaft. Denn wer sich bewusst auf die "digitale Demokratie" einlässt, weiß auch, dass er damit den Wähler möglicherweise näher an sich heranlässt als am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone.
Dabei bleibt die Versuchung groß, das Internet als politische Allzweckwaffe einzuplanen - zum Beispiel gegen die bei den jüngsten Wahlen wieder offensichtlich gewordene Unlust der Bürger sich auch nur über ein Kreuz auf dem Stimmzettel am politischen Geschehen zu beteiligen. Einen historischen Tiefstand hat die Beteiligung bei den Landtagswahlen am 26. März erreicht: 44,4 Prozent in Sachsen-Anhalt, 53,7 Prozent in Baden-Württemberg, 58,2 Prozent in Rheinland-Pfalz und 45,6 Prozent bei den hessischen Kommunalwahlen. Und dies, obwohl das Internet - wie bei den Bundestagswahlen im vergangenen September - von allen Parteien gezielt als Wahlkampfarena genutzt worden war. Auf die Frage nach Instrumenten gegen solches Desinteresse an politischer Mitgestaltung bringen Liberale und Grüne wieder das Thema E-Voting in die Diskussion. Dies jedoch bleibt nach Einschätzung der Experten zumindest für den politischen Raum bis auf weiteres unrealis-tisch. Bezweifelt werden dürfte auch, ob mehr Menschen wählen, nur weil sie dies mit einem Mausklick in ihrem eigenen Wohnzimmer tun können.
Denn die politische "Community" im Netz ist keine, die außer Konkurrenz läuft. Sie spiegelt vielmehr die Strukturen und Probleme unserer realen Gesellschaft wider. Wer am politischen Geschehen teilhaben will, muss sich informieren wollen und können - mit und ohne digitale Hilfe. Das Internet ermöglicht einen sehr direkten Zugriff auf Politik und spricht vor allem diejenigen an, denen das Medium vertraut ist und die nach zusätzlichen Möglichkeiten der Artikulation suchen. Es lockt vielleicht auch Bürgerinnen und Bürger, die das Netz an sich spannend und auf diesem Weg zu politischem Engagement finden. Es kann schlimmstenfalls aber auch eine Barriere aufbauen zu den Menschen, die die neuen Medien nach wie vor nicht gezielt und qualifiziert nutzen können oder auch wollen - sei es aus Altersgründen oder weil ihnen die entsprechende Bildung oder das nötige Geld fehlen.
Realistisch dürfte deswegen die Beobachtung vieler überzeugter "Internet-Politiker" sein, die das Netz als einen zusätzlichen Gestaltungs- und Interaktionsraum bezeichnen, der mittlerweile unverzichtbar geworden ist, der aber herkömmliche politische Aktionsflächen nicht überflüssig macht und die repräsentativen Strukturen unserer Demokratie nicht in Frage stellen wird. Das Internet überwindet viele verkrustete Strukturen und stößt doch überall an Grenzen. Was möglich ist und was nicht im politischen Internet-Deutschland soll diese Themenausgabe zeigen.
Die Autorin arbeitet für das Journalistenbüro Surpress in Wiesbaden.