Am 30. April im südpfälzischen Steinfeld: Die Dorfkapelle spielt, der Maibaum wird geschmückt und Kurt Beck lässt es sich nicht nehmen, wenigstens kurz in seinem Heimatdorf vorbeizuschauen. Rund 2.000 Einwohner hat der Ort, in dem der designierte Bundesvorsitzende der SPD aufgewachsen ist und bis heute mit seiner Frau Roswitha lebt. "Er kennt viele Menschen im Dorf von Kindheit an", sagt Ortsbürgermeisterin Marie-Thérèse Müller. "Und das ist ein Kreis, in dem er sich auch wohl fühlt." In seinem Bürgerbüro hält der Ministerpräsident seit Jahren jeden zweiten Sonntag seine Sprechstunde.
"Er lebt, was er ist", erklärt Müller. "Das ist Kurt Becks Erfolg." Kaum ein deutscher Politiker gilt als derart authentisch und bodenständig wie der rheinland-pfälzische Regierungschef, der bei der letzten Landtagswahl die absolute Mehrheit für seine Partei geholt hat und nun die angeschlagenen Genossen auch bundesweit aus ihrem Dauertief ziehen soll. Der 57-Jährige ist der Prototyp eines Sozialdemokraten. Beck wächst in kleinen Verhältnissen auf. Sein Vater war Maurer, seine Mutter Verkäuferin. In Steinfeld besucht er die Volksschule - eine Einklassenschule mit einer katholischen Ordenschwester als Lehrerin. "Auf den Gedanken, dass man eine weiterführende Schule besuchen könnte, ist kaum einer gekommen", erzählte er seinem Biografen Hannes Ziegler.
Mit 14 beginnt er eine Lehre als Elektromechaniker und "wächst mit dem Betrieb". Den Realschulabschluss wird er erst neun Jahre später an der Abendschule machen. Beck wird der bundesweit jüngste Betriebsratsvorsitzende. In Seminaren bildet er sich selbst weiter, bis sein Sohn geboren wird. Jetzt geht es um die Ernährung der Familie, die Fortbildung muss warten. "Becks Welterfahrung stammt nicht aus der eines angestellten Bürokraten", erklärt der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnanyi, vor diesem Hintergrund. "Er macht Politik aus der Sicht der kleinen Leute."
Von Dohnanyi - SPD-Spitzenkandidat bei der rheinland-pfälzischen Landtagswahl 1979 - lernt Beck als Personalratsvorsitzenden der Bundeswehr im pfälzischen Bad Bergzabern kennen. Er ist es, der den jungen Politiker zur Landtagskandidatur drängt, "weil er so ein guter Mann war". In einer Zeit, als die politische Diskussion noch sehr "philosophisch" abgelaufen sei, sei Beck "vernünftig, praktisch und verantwortungsvoll" aufgetreten.
Und Beck macht seinen Weg als Landespolitiker: 1985 wird er Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion, 1991 ihr Vorsitzender. Drei Jahre später, als Rudolf Scharping gegen Helmut Kohl ins Rennen geht, ist der Mann Ministerpräsident an der Spitze einer sozial-liberalen Koalition. Beck, der bürgernahe Realpolitiker, etabliert sich als Landesvater eines eher konservativ geprägten Bundeslandes, in dem SPD und CDU vor allem die Mitte bedienen. Als "Aufsteigerland" will er Rheinland-Pfalz positionieren und legt mittlerweile so viel Selbstbewusstsein an den Tag, dass er bis 2011 nur noch Bayern übertreffen möchte. "Nur im Fußball", sagt der Kaiserslautern-Fan, "könnte es länger dauern."
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten reiche es nicht aus, auf dem Weihnachtsmarkt Würste zu braten und sich überall beliebt zu machen, pflegen die Christdemokraten in Rheinland-Pfalz mit Blick auf Becks Omnipräsenz zu kritisieren. Doch von seinen Wahlerfolgen kann nicht nur der gebeutelte CDU-Landesverband, sondern auch die Sozialdemokratie nur noch träumen. So hat Beck in der Bundespartei im Laufe der Jahre immer stärker an Gewicht gewonnen - zunächst als loyaler Moderator hinter den Kulissen. "Dazu leiste ich meinen Beitrag", sagt er gerne, wenn er auf seine Mitwirkung in Berlin angesprochen wird. Als Schröder als Parteichef abdankt, wird Beck zum "ersten Mann in der zweiten Reihe". Im vergangenen Herbst lässt er Matthias Platzeck den Vortritt beim Parteivorsitz. Nun ist er selbst ganz vorne gefragt.
Sind Becks Rezepte, die ihm im eigenen Land den Erfolg sichern, auch die richtigen für Berlin und die Bundes-SPD? Von Dohnanyi glaubt ja. Für ihn ist der Ministerpräsident eine interessante Brücke von der neuen zur alten SPD: "Er weiß, wie die SPD einmal war, aber auch, dass sie in Zukunft nicht so bleiben kann." Beck werde die unter Platzeck begonnene Programmdebatte fortsetzen, kündigt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil an. "Er kann führen und zusammenführen", betont Heil. "Und das ist etwas, was nicht nur in Rheinland-Pfalz gefragt ist." Dass Beck sehr gut ankommt in der Partei, "egal in welchem Landesverband", steht für den Generalsekretär außer Frage. Die SPD, mahnt von Dohnanyi allerdings, müsse Beck jetzt "den Raum dafür lassen, sich mit seinem Politikstil auch bundesweit zu positionieren."