Nicht nur Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) zeigte sich am Abend des 7. Mai enttäuscht, als die Stimmzettel für die Wahl der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte im Freistaat ausgezählt wurden: Fast 60 Prozent der wahlberechtigten Bürger hatten es vorgezogen, bei schönstem Frühlingswetter den Wahllokalen fernzubleiben. Noch suchen die Parteien an einer Erklärung für die geringe Wahlbeteiligung, denn das schöne Frühlingswetter kann nicht allein Ursache gewesen sein. Ist es die starke Politikverdrossenheit oder war es das Fehlen zugkräftiger Kandidaten, das die Menschen von den Wahlurnen fernhielt? Seitens der SPD gab es freilich schon einen konkreten Vorschlag: Man müsse die direkte Demokratie stärken.
Immerhin zeigte sich Ministerpräsident Althaus darüber zufrieden, dass seine Partei trotz teilweise erheblicher Verluste dennoch mit mehr als 41 Prozent die stärkste Partei blieb. Von einem Stimmungstest für oder gegen die Union, die im Landtag mit einer Stimme Mehrheit regiert, wollte er jedoch nichts wissen. Zu stark hätten örtliche Themen im Mittelpunkt des Wahlkampfes gestanden. Umso mehr hätte man annehmen sollen, dass mehr Menschen zur Wahl gegangen wären.
Bei der Wahl der Landräte und Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten des Freistaates hatte die CDU 1994 noch 52,4 Prozent der Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 72,3 Prozent) erreicht. Im Jahr 2000 waren es nur noch 46,9 und nun 41,6 Prozent. Auch die SPD unter ihrem Landesvorsitzenden Chris-toph Matschie musste Einbußen hinnehmen. Hatten die Sozialdemokraten bei den Wahlen der Landräte und Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten im Jahr 1994 noch 34,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, so waren es vor sechs Jahren bereits nur noch 28,3 und nun 25,4 Prozent.
Matschie konnte diesem Stimmenverlust auch etwas Positives abgewinnen: In vielen Landkreisen und kreisfreien Städten sei eine Mehrheit jenseits der CDU möglich. Das ist für Matschie, der zugleich im Landtag des Freistaates Fraktionschef der SPD ist, ganz wichtig. Und so nutzte er auch die Stimmenverluste der CDU als Beweis dafür, dass die Bürger Ministerpräsident Althaus eine Quittung für die aus seiner Sicht "schlechte Landespolitik" ausgestellt hätten.
Gewinner der Wahl bei den Landräten und Oberbürgermeistern in den kreisfreien Städten ist Die Linke.PDS, die 1994 lediglich auf 2,1 Prozent gekommen war und jetzt 18 Prozent der Stimmen für sich errang - allerdings konnte sie in den großen Städten des Freistaates keinen OB-Sitz einnehmen. Für Knut Korschwesky, Chef der Linken in Thüringen, ist vor allem dies wichtig: "Die Vormachtstellung der CDU ist gebrochen." Gewinner waren in den ländlichen Bereichen nicht zuletzt die Parteilosen beziehungsweise die Freien Wählergemeinschaften. Grüne und Liberale konnten landesweit nicht viel punkten, aber örtlich einige respektable Ergebnisse erzielen.
In vielen Städten, Kreisen und Gemeinden müssen die Thüringer am 21. Mai erneut zur Wahl gehen, weil am 7. Mai keiner der Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Bei der Stichwahl am 21. Mai treten die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen an. Dann gilt die einfache Mehrheit. Das gilt auch für die Landeshauptstadt Erfurt, wo Bürgermeister Dietrich Hagemann (CDU) lediglich 31,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Er tritt gegen Andreas Bausewein (SPD) an, der sich nur knapp vor Karola Stange (Die Linke) behaupten konnte. Der langjährige Amts-inhaber Manfred Ruge (CDU) hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet.
Die CDU hatte ihren Wahlkampf stark auf Erfurt ausgerichtet, um die Landeshauptstadt für die Union zu "sichern". Doch an den beiden Tagen vor dem Urnengang war in der größten Stadt des Landes von Wahlkampf wenig zu spüren. Offensichtlich waren die Kämpfer müde. Lediglich auf dem Bahnhofsvorplatz bot Die Linke für Hartz IV-Empfänger und andere Bedürftige ein kostenloses Frühstück mit politischen Informationen an. Der Andrang hielt sich in Grenzen.
Einer Sensation kommt das Ergebnis der OB-Wahl in Suhl gleich: Dort besiegte der 37-jährige promovierte Forstwissenschaftler Jens Triebel (parteilos) den seit 16 Jahren amtierenden Oberbürgermeister Martin Kummer (CDU) bereits im ersten Wahlgang. Triebel, der vor allem von der Wählergruppe "Aktiv für Suhl" unterstützt wurde, kam auf 52,7 Prozent, während sich der bisherige OB auf 21,2 Prozent abrutschte. In Gotha setzte sich der SPD-Kandidat Knut Kreuch ebenfalls im ersten Wahlgang durch.
In Weimar wird es ebenfalls eine Stichwahl geben, in der Stefan Wolf (SPD) gegen Wolfgang Hölzer (Weimar-Werk) antritt. Sozial-Staatssekretär Stefan Illert als Spitzenkandidat der CDU schaffte nicht einmal die Stichwahl. In Eisenach muss Oberbürgermeister Gerhard Schneider (CDU) ebenfalls in die Stichwahl. Sein Gegner wird Matthias Doht (SPD) sein. Schneider errang zwar die meisten Stimmen, musste aber einen Verlust von zehn Prozent gegenüber der Wahl 2000 hinnehmen.
Und auch in Jena wird es zu einer Stichwahl zwischen Christoph Schwind (CDU) und Albrecht Schröter (SPD) kommen. Entscheidend wird bei vielen Stichwahlen sein, ob sich "Lager" bilden (etwa Union, Liberale und Bürgergemeinschaften gegen Sozialdemokraten, Linke und Grüne) und wie stark es den Parteien und Gruppierungen gelingt, ihre Wähler an die Wahlurne zu bringen. Erfahrungsgemäß sinkt die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen noch einmal weiter ab. Dadurch sind am 21. Mai Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Trost für die CDU: In Bad Sulza konnte Bürgermeis-ter Johannes Hertwig (CDU) 97,5 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Er war freilich auch der einzige Kandidat.