Am 26. März war die bisherige CDU/FDP-Koalition bei den Landtagswahlen gescheitert, weil die Liberalen auf nur noch 6,7 Prozent abrutschten. Die Christdemokraten hatten mit 36,2 Prozent zwar auch geringe Verluste hinnehmen müssen, waren jedoch stärkste Kraft im Land geblieben. Allein 40 der 45 Wahlkreise gewannen CDU-Kandidaten direkt.
Die CDU entschied sich deshalb für eine Zusammenarbeit mit der SPD, obwohl die mit 21,4 Prozent nur drittstärkste politische Kraft geworden war. Nach umfangreichen Verhandlungen liegt ein 60-seitiger Koalitionsvertrag auf dem Tisch. Für Wolfgang Böhmer (CDU), alter und neuer Ministerpräsident, ist die Vereinbarung mit der SPD "ein fairer Kompromiss". In den Verhandlungen sei es darum gegangen, "die eigene Linie durchzuhalten und den Partner mit ins Boot zu nehmen", sagte Böhmer, der das Land weitere fünf Jahre regieren kann.
In der CDU-Basis gab es heftige Kritik, weil Böhmer und SPD-Verhandlungsführer Jens Bullerjahn vereinbarten, dass beide Parteien jeweils vier Minister stellen. Unangemessen nannten es die Kritiker und verwiesen auf das deutlich schlechtere Abschneiden der SPD gegenüber der CDU bei der Wahl. "Eine Fünf-zu-Drei-Verteilung (der Ministerämter) hätte uns besser zu Gesicht gestanden", sagte CDU-Landeschef Thomas Webel, und fügt hinzu: "Aber in Verhandlungen muss man nachgeben können." Böhmer sieht es ebenso: "Man kann die Zusammenarbeit mit jedem Partner - das gilt sogar für zu Hause, in der Familie - umso besser gestalten, wenn man ihn auch ein bisschen großzügig behandelt." Als der CDU-Landesparteitag mit einer Mehrheit von rund 90 Prozent den Weg für den Koalitionsvertrag frei machte, hatte er auch dem Vorschlag seine Zustimmung gegeben, den CDU-Abgeordneten Dieter Steinecke als Landtagspräsidenten vorzuschlagen. Mit großer Mehrheit stimmten die 97 Abgeordneten des Landtags kurze Zeit danach für ihn.
Als Finanzminister und Stellvertreter Böhmers, der mit 70 Jahren ältester amtierender deutscher Ministerpräsident ist, fungiert nun sein SPD-Herausforderer Jens Bullerjahn. Für ihn ist es "ein wichtiger Schritt, in der Regierung zu sein, um im Land mitgestalten zu können".
In der Riege der Minister bleiben mehrere weiter im Amt: Karl-Heinz Daehre (CDU), im Land beliebt als kommunikativer und volkstümlicher Stratege, ist auch künftig für Landesentwicklung und Verkehr zuständig. Petra Wernicke (CDU) bleibt für Agrar und Umwelt verantwortlich, hat sie doch in der Vergangenheit den Spagat geschafft, die oft unterschiedlichen Interessen beider Ressorts ,unter einen Hut zu bringen'. Jan-Hendrik Olbertz bleibt Kultusminister. Sein erfolgreiches Wirken hatte sich gegen kritische Stimmen aus CDU-Kreisen durchsetzen können, die ihm vorhielten, noch immer parteilos und nicht Mitglied der ihn vorschlagenden CDU geworden zu sein. Das Wirtschaftsressort übernahm wie erwartet der bisherige Wirtschafts-Staatssekretär Reiner Haseloff (CDU), der als anerkannter Arbeitsmarkt-Experte gilt. Der Jurist Rainer Robra (CDU) bleibt als Staatsminister auch Chef der Staatskanzlei.
Auf SPD-Landeschef Holger Hövelmann kommen neue Aufgaben als Innenminister zu, Angela Kolb (SPD), die bisher an der Hochschule Harz Verwaltungswissenschaft lehrte, ist neue Justizministerin. Für Gerlinde Kuppe (SPD) ist der Bereich Soziales und Gesundheit kein Neuland. Sie übte dieses Amt schon unter Ministerpräsident Höppner zwischen 1994 und 2002 aus.
SPD-Landeschef Holger Hövelmann ist mit den Koalitionsverhandlungen zufrieden. "Der gesamte Koalitionsvertrag trägt einen guten roten Faden", sagte er. 98 Prozent der 104 Delegierten des SPD-Parteitags hatten dem Vertrag zugestimmt.
Die Arbeit des Kabinetts wird in den nächsten Wochen nicht einfach werden. Noch immer steht das Land in der Arbeitslosenstatistik mit rund 20 Prozent an vorletzter Stelle im Ländervergleich. Da kommt eine Information von Regierungssprecherin Monika Zimmermann vom 9. Mai über eine Investition gerade richtig: 35 neue Dauerarbeitsplätze wird die Nordzucker AG in Klein Wanzleben mit dem Bau einer Bioethanol-Anlage schaffen, die aus heimischen Zuckerrüben und Getreide den begehrten Treibstoff herstellt. 70 Millionen Euro sollen investiert werden.
Der hohen Verschuldung des Landes soll der Kampf angesagt werden. Für Finanzminister Bullerjahn eine Herausforderung, hatte er doch dem Regierungschef im Wahlkampf vorgehalten: "Sie wollten die Neuverschuldung in der jetzigen Legislaturperiode auf Null fahren. Ergebnis aber ist: So viel Neuverschuldung wie jetzt gab es noch nie".
Über die Kreisreform, die die CDU/FDP-Koalition für eine Neugliederung des Landes noch vor der Wahl auf den Weg gebracht hatte, soll in Zerbst diskutiert werden. Hier wird ein Bürgerentscheid Klarheit bringen, zu welchem Kreis künftig die Stadt der Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst, der später in Moskau gekrönten russischen Kaiserin und Zarin Katharina II., gehören soll.