Als Band kultureller Zusammengehörigkeit wurde die "Organisation internationale de la Francophonie" 1976 ins Leben gerufen und erhielt 1986 als politische Institution besonderes Gewicht durch den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, der damit gegen die zunehmende Anglisierung vorgehen wollte. Die "Francophonie"-Organisation umfasst heute 49 Staaten als Mitglieder. Rund 500 Millionen Menschen auf allen fünf Kontinenten sprechen heute Französisch. Das sind elf Prozent der Weltbevölkerung. Für rund 265 Millionen Bürger in 49 Ländern der Erde ist Französisch Mutter-, Amts- oder allgemeine Verständigungssprache. Zur Francophonie gehören die autonome Provinz Katalonien in Spanien ebenso wie das kanadische Quebec oder die Schweiz. Sogar im heutigen amerikanischen Bundesstaat Louisiana, der zunächst von französischen Siedlern zur Zeit von Louis XIV. und Louis XV. kolonisiert wurde, benutzen heute noch 300.000 Menschen die französische Sprache. Die US-Amerikaner nennen dieses Französisch und ihre Sprecher "Cajun-French." Im Norden und Osten der USA ist die französische Sprache aus dem Alltagsleben weitgehend herausgedrängt.
Ganz anders ist die Lage dagegen in Kanada. In Quebec, der größten Provinz Kanadas, leben die meisten Frankophonen des Landes. Ihrem Französisch ist allerdings anzumerken, dass es aus einer anderen Zeit stammt. Dennoch wehren sich die frankophonen "Quebequois" gegen die überall fortschreitende Anglisierung des Alltagslebens: Jeder Verkaufsladen muss zweisprachig seine Angebote und Preise ausschildern, sonst riskiert er eine Geldstrafe. Die Francophonie Quebecs war auch der Grund, weshalb General de Gaulle auf seiner berühmten Reise 1966 vor dem Rathaus von Montreal ausrief: "Vive le Quebec libre!" (Es lebe das freie Quebec) - was die Anglophonen gleich als Separatismus brandmarkten. Doch inzwischen erhalten die französischen Separatisten in der Provinz Quebec Traumergebnisse - nahe an der absoluten Mehrheit.
Kaum wegzudenken ist Französisch aus der postkolonialen Kultur und Politik Afrikas, aber auch der Karibik. Viele Menschen aus diesen Ländern studieren in der "Métropole", im Mutterland Frankreich, und machen dort ihre ersten beruflichen Schritte. Aber auch als Aufnahmeland für politische Flüchtlinge ist Frankreich wichtig. So gewährte es beispielsweise nacheinander politischen Gegnern wie Konan Bédié und Alassane Ouattara aus seiner ehemaligen Kolonie Elfenbeinküste mehrjähriges politisches Asyl.
Andererseits gibt es immer wieder politische Unstimmigkeiten, da die ehemaligen Kolonien fürchten, ihre institutionelle Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit werde unterlaufen. Die Übersee-Départements, die zu Frankreich gehören, suchen immer stärker eine eigene kulturelle Identität und grenzen sich zunehmend stärker vom Mutterland ab, so die Insel Martinique. Dort weigerte sich vergangenes Jahr der bekannte frankophone Schriftsteller Aimé Césaire, der die einheimische kreolische Sprache mehr gefördert sehen möchte, Innenminister Nicolas Sarkozy zu empfangen. Er empfand dessen Äußerungen zu den Vorstadtunruhen im vergangenen Herbst als rassistisch. Sarkozy hatte damals die gewalttätigen Jugendlichen als "Bande de voyous" (Bande von Gaunern) bezeichnet und gefordert, man müsse notfalls das Viertel "nettoyer au Karcher", also mit dem Kärcher-Putzgerät säubern.
Vor wenigen Wochen empfing der 92-jährige Césaire den französischen Innenminister dann doch noch in seiner Wohnung zu einem kurzen Meinungsaustausch.
Kreolisch als ein von den Ureinwohnern abgewandeltes Französisch wird weltweit nur von etwa zehn Millionen Menschen verstanden. Die "Kreolen", wie sich die Einheimischen nennen, entwickeln ein eigenes, neues Selbstbewusstsein. Eine Lockerung der Bindung an Frankreich geht damit einher. Sie möchten auf Amtszimmern jetzt Kreolisch und nicht mehr Französisch sprechen, das längst nicht alle Bewohner beherrschen. Um gegenzusteuern, vergibt die französische Regierung zum Beispiel zeitlich befristete Arbeitsplätze im "Mutterland" bei Post oder Polizei. Gleichwohl erhöht das Beherrschen des Französischen auch das soziale Prestige auf Martinique.
Der Dichter Aimé Césaire auf den französischen Antillen gehört zu den frühen Dichtern der "Négritude" (Schwarzfrikanertum), war Mitglied der französischen Nationalversammlung. Nach seiner Ansicht wurde und wird die afrikanische Kultur von der westlichen Zivilisation unterbewertet, ja unterdrückt. Er ist der bedeutendste Weggefährte von Leopold Sedar Senghor, dem ehemaligen Professor für französische Grammatik, der 1960 zum ersten Präsidenten des unabhängigen Senegals gewählt wurde. Der deutsche Bundespräsident Heinrich Lübke schenkte ihm ein goldenes Bett, eine Gabe, die in den 1960er-Jahren den Unmut vieler Deutscher erregte. Senghor, mit einer Französin aus dem "Mutterland" verheiratet und im hohen Alter im Jahr 2001 in der Normandie verstorben, war der wohl einflussreichste Schriftsteller der Francophonie. Als erster schwarzhäutiger Franzose wurde er in die "Académie Française" zu den "Quarante Immortels" (40 Unsterblichen) berufen. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er auf Seiten der Franzosen, geriet 194O in deutsche Kriegsgefangenschaft, kämpfte dann in der "Résistance" weiter. Seinen 100. Geburtstag zelebriert die Francophonie dieses Jahr als "Année Senghor", unter anderem mit einem Symposion an der Sorbonne.
Um die Bedeutung der französischen Sprache weiter zu festigen, soll sie, so die "Agence de la Francophonie" in Paris, weltweit als Sprache der Menschenrechte platziert werden. In den Staaten des Maghreb bemühen sich hingegen national gesinnte Politiker, Französisch als Sprache der ehemaligen Kolonialherren zugunsten des Arabischen zurückzudrängen. Im früher frankophonen Algerien wurden kürzlich die aus der Kolonialzeit verbliebenen 40 französischen Privatschulen auf Anordnung der Landesverwaltung geschlossen, weil sie ihren Unterricht ausschließlich in Französisch und nicht auch in der arabischen Landessprache veranstalten wollten. Es bedurfte der persönlichen Intervention des algerischen Staatspräsidenten Bouteflika, um die Privatschulen wieder zu öffnen.
Algeriens höheres Schulsystem basiert nach wie vor auf dem oft als "Sprache der Kolonialherren" abqualifizierten Französisch. Eine große Zahl algerischer Studenten studiert dennoch an Hochschulen in Frankreich. "Die Sprache Molières" ist auch deshalb aus Algerien vorläufig nicht wegzudenken. Im Gegenteil: Nach einer ersten Liberalisierung des Pressewesens vor 15 Jahren schossen dort zahlreiche neue privatwirtschaftlich organisierte Zeitungs- und Buchverlage aus dem Boden. So gibt es inzwischen eine beeindruckende Pressevielfalt mit rund 30 frankophonen und rund 30 arabischen Zeitungen bei insgesamt rund 240 Publikationen landesweit.
Doch ein anderes Problem bedrückt die algerischen Journalisten: ihre ungenügende Sicherheit. Von 1988 bis 1998 kamen über hundert von ihnen ums Leben, mehrere Dutzend Journalisten sitzen wegen Delikten in Gefängnissen, die hierzulande unter die Rubrik "Pressefreiheit" fallen würden. Eine mehrköpfige Gruppe des frankophonen "Matin" sitzt noch oder saß wegen der Publikation der Mohammed-Karikaturen in Untersuchungshaft. Doch jetzt, so der algerische Journalist Lazhari Labrer auf der Pariser Buchmesse bei einem persönlichen Gespräch, sei der Frieden wieder zurück-gekehrt. Sein Land brauche Hilfe und Unterstützung beim wirtschaftlichen Ausbau und Aufbau des Landes. Rund 60 Milliarden Dollar stehen laut algerischen Regierunsplänen für die Jahre 2006 bis 2009 dafür zur Verfügung, und Labrer hofft auf rege Beteiligung deutscher Unternehmer.
Es gibt immer wieder Beispiele frankophoner Intellektueller, die Brücken zwischen Frankreich und ihrer Heimat schlagen. Deshalb ist die "Agence de la Francophonie" längst nicht nur eine kulturelle Institution, sondern auch politischer Natur. Ihr gehören auch Länder des früheren Ostblocks wie Moldawien und Bulgarien oder Rumänien an. Im romanisch geprägten Rumänien sprechen acht Prozent der Bevölkerung französisch. Das ursprünglich rumänische Landeskind Emile M. Cioran kann als geglücktes Beispiel für einen frankophonen Schriftsteller gelten. Dem Philosophiestudenten, der 1938 als Stipendiat der französischen Regierung nach Paris kam und blieb, gelang die geistige Verwandlung perfekt: Er ist ein Teil der Francophonie geworden. Bis er seine rumänische Muttersprache durch das Französische in seinen Büchern ersetzte, verging allerdings einige Zeit.
Anders dagegen der marokkanische Journalist Tahar Ben Jelloun. Er kam in den 70er-Jahren nach Paris, um im Fach Medizin zu promovieren. Er blieb, wurde Journalist und kämpft seit vielen Jahren in Zeitungsartikeln gegen die Benachteiligung seiner Landsleute, marokkanischer Immigranten, für die Französisch ein Buch mit sieben Siegeln blieb. Ben Jelloun erhielt bereits einen angesehenen französischen Literaturpreis. Zweifelsohne besitzt die Francophonie damit eine innenpolitische französische Komponente.
Man darf es nicht vergessen: Selbst unsere 500 Bundeswehrsoldaten, die im Sommer in den Kongo als Wahlbeobachter fahren sollen, kommen in ein Land, dessen Einwohner zu 30 Prozent der Francophonie angehören.