Finanzen. Unterschiedlich bewerten Experten den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zu Übernahmeangeboten ( 16/1003). Das wurde anlässlich einer Anhörung im Finanzausschuss am 10. Mai deutlich. Grundlage des Entwurfs ist die EU-Übernahmerichtlinie, deren Ziel es ist, durch Mindestvorgaben für Angebote zur Übernahme von Unternehmen in der gesamten EU für Klarheit und Transparenz zu sorgen. Das vorhandene deutsche Übernahmerecht soll dazu nur insofern geändert werden, als die Richtlinie dies erfordert.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie befürwortet den Entwurf. In vielen Punkten komme er den Interessen der deutschen Wirtschaft entgegen. Allerdings schlage man eine Herabsetzung der Schwelle für ein so genanntes Squeeze-out vor. Dadurch solle für einen Großaktionär bereits bei einer Kapitalmehrheit von 90 Prozent, und nicht wie bisher von 95 Prozent, die Möglichkeit bestehen, Aktionäre gegen eine angemessene Abfindung aus dem Unternehmen herauszukaufen. Dieser Forderung schloss sich auch die Allianz AG an. Es gebe wichtige Argumente für eine Senkung dieser Schwelle. Da es bei einem Streubesitz von unter zehn Prozent eine vergleichsweise schwache Liquidität gebe, bestehe die Gefahr starker Schwankungen und einer nicht adäquaten Preisbildung, die den Aktienkurs für Privataktionäre schwer nachvollziehbar machten. Außerdem würde der Wegfall jährlich stattfindender Hauptversammlungen Kosten und Aufwand reduzieren, die in keinem Verhältnis zur Größe des Streubesitzes stünden.
Der Zentrale Kreditausschuss der deutschen Banken begrüßte die "Eins zu eins"-Umsetzung der EU-Vorgaben. Der Entwurf füge das bestehende Recht in den EU-Rahmen ein. Allerdings blieben Interpretationsspielräume offen. So müsse man sich fragen, ob die beabsichtigte Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht doch unnötigerweise über das geforderte Maß hinausgehe. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz findet in dem Entwurf Positives wie Negatives. So begrüße man die vorgesehene Offenlegungspflicht für kapitalmarktorientierte Emittenten stimmberechtigter Wertpapiere im Konzernlagebericht.
Abgelehnt wird hingegen der Verzicht auf einen Hauptversammlungsbeschluss als Basis für ein übernahmerechtliches Squeeze-out. Minderheitsaktionäre würden dadurch ihre Informationsrechte verlieren. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigte sich "nicht glücklich" über die EU-Richtlinie. Er begrüßte jedoch ausdrücklich, dass die Bundesregierung nur die verlangten Ergänzungen und Anpassungen vorgenommen habe, ansonsten aber weiter am deutschen Übernahmegesetz festhalten wolle. Dem Gesetz fehle, so Professor Heinz Bontrup aus Gelsenkirchen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen des Kapitalmarktes und der Arbeitnehmerseite. Auf deren Belange werde keinerlei Rücksicht genommen, kritisierte er und prognostizierte ein weiteres Voranschreiten der Konzentrationswelle von Unternehmen.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme 15 Anmerkungen gemacht, wie aus einer Unterrichtung durch die Bundesregierung ( 16/1342) hervorgeht. Die Regierung stimmt einigen der Änderungswünsche in ihrer Gegenäußerung zu, andere lehnt sie ab oder sagt eine Prüfung zu.