Das Parlament: Was meinen Sie, wird die Abstimmung über den Kongo-Einsatz der Bundeswehr zur ersten Bewährungsprobe für die Große Koalition?
Ulrike Merten: Davon gehe ich nicht aus. Ich rechne mit einer breiten Mehrheit in der Regierungskoalition und beim Bündnis 90/Die Grünen. Ich bin sehr gespannt, ob die FDP bei ihrem Nein bleibt.
Das Parlament: Der ansonsten als unverrückbar pazifistisch geltende Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich nach seiner Kongo-Reise für eine Einsatzbeteiligung der Bundeswehr ausgesprochen!
Ulrike Merten: Wer die Presse verfolgt hat, konnte sich immer wieder verwundert die Augen reiben. Bei dieser Entscheidung wird vieles anders sein. Diejenigen, die in der Vergangenheit militärischen Einsätzen eher kritisch gegenüber standen, tun es dieses Mal nicht und umgekehrt.
Das Parlament: Welches moralische Interesse gibt es, den Kongo zu unterstützen?
Ulrike Merten: Die Europäische Union hat sich zur Verantwortung für Afrika bekannt. Der Bundestag hat immer über seine Verantwortung für Afrika debattiert. Dabei hat er deutlich gemacht, dass Deutschland einen Beitrag leisten muss, wenn dieser Kontinent nicht verloren sein soll. Jetzt geht es darum, diese Verantwortung in praktische Politik umzusetzen. Im Zweifelsfall auch in eine Mission, die eine militärische Komponente hat.
Das Parlament: Der Kongo ist berühmt für seine Bodenschätze. Beryllium für die Herstellung von Kernwaffen kommt genauso vor wie Gold. Können Sie ausschließen, dass der Einsatz für wirtschaftliche Interessen benutzt wird?
Ulrike Merten: Der Kongo ist unendlich reich. Wer glaubt, sich nach diesem Einsatz über die Bodenschätze des Landes hermachen zu können, der ist mehr als blauäugig.
Das Parlament: Waren Sie schon einmal im Kongo?
Ulrike Merten: Nein. Aber mehrere Bundestagskolleginnen und -kollegen aller Fraktionen waren dort. Sie haben Gespräche geführt und dem Verteidigungsausschuss darüber berichtet.
Das Parlament: Welche Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?
Ulrike Merten: Die Kongolesen hoffen auf den europäischen Kontinent. Sie haben den Kollegen versichert, dass die Europäer für sie glaubhaft seien und dass sie ihnen zutrauten, auf die Gegner der Wahlen abschreckend einzuwirken. Auf einen Begriff gebracht: Bei einem eventuellen Bundeswehreinsatz in dem zentralafrikanischen Land muss es um Abschreckung gehen, um am Ende nicht eingreifen zu müssen.
Das Parlament: Was geschieht, wenn die Lage nach den Wahlen eskaliert? Die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth, hat ein begrenztes Mandat für den Einsatz gefordert.
Ulrike Merte: n Unsere Vorgaben lauten: eine zeitliche Begrenzung auf vier Monate, eine geografische Begrenzung auf die Hauptstadt Kinshasa, eine Begrenzung der Kräfte auf etwa 500 Bundeswehrsoldaten.
Das Parlament: Schon die räumliche Eingrenzung steht in Frage. Es wurden Forderungen laut, den Einsatz über Kinshasa hinaus auszudehnen. Dann wären die Soldaten wohl vorrangig mit dem Selbstschutz beschäftigt...
Ulrike Merten: Außerhalb von Kinshasa werden die Franzosen sein. Die insgesamt 1.500 EU-Soldaten sind doch nicht die einzigen im Land. Darüber hinaus sind seit 2002 beziehungsweise 2004 17.000 MONUC-Soldaten im Einsatz. Der Vorbehalt, was sollen 1.500 Europäer ausrichten, wenn schon 17.000 MONUC-Soldaten die Situation nicht in den Griff bekommen haben, ist so nicht richtig. MONUC ist an anderer Stelle stationiert als die Europäer es demnächst sein werden. Vorausgegangen war im Übrigen im Dezember 2005 die Bitte der Vereinten Nationen an die EU, die Wahlen im Kongo durch einen europäischen Einsatz in der Hauptstadt Kinshasa abzusichern. Denn die Hauptstadt wäre der Schlüssel für das Gelingen der Wahlen, die MONUC-Truppen sind jedoch fast ausschließlich im Osten des Landes stationiert. Und die Mission hat seit Beginn des UN-Mandats erheblich zur Stabilisierung beitragen können.
Das Parlament: Die Abgrenzung des Mandats ist schön und gut. Es gibt eine Menge Unsicherheitsfaktoren im Land, wie die Mörderbanden und Kindersoldaten. Welche Empfehlungen geben Sie für das Verhalten der Bundeswehrsoldaten aus?
Ulrike Merten: Immer wieder ist auch zu hören, was sollen 500 Soldaten in einer Neun-Millionen Stadt bewegen? Natürlich sollen sie nicht auf den Straßen patrouillieren. Das käme einem Eimerchen gleich, mit dem man den Ozean leeren wollte. Ich betone noch einmal, es geht um Abschreckung, um ein Eingreifen zu verhindern. Außerdem ist in Kinshasa nicht mit dem Auftreten von Kindersoldaten zu rechnen. Allein von der Präsenz in der Regierungshauptstadt und dem Schutz wichtiger Infrastruktur darf man eine Wirkung erwarten, die auch über die Hauptstadt hinausreicht.
Das Parlament: Lange Zeit wurde die Bundeswehr für nicht tro-pentauglich erklärt, da sie nicht entsprechend ausgerüstet sei. Können Sie die Bundeswehrsoldaten bei derzeitigem Stand der Ausrüstung guten Gewissens in den Kongo schicken?
Ulrike Merten: Dies ist ja nicht die erste Unterstützungsmission in Afrika. Es ist auch nicht so, dass die Soldaten einen Monate langen Vorlauf bräuchten, um mit den notwendigen Impfstoffen ausgestattet zu werden. Bestimmte Kontingente sind darauf vorbereitet. Ich bin davon überzeugt, dass die Soldaten, sowohl was ihre Ausrüstung als auch ihre Ausbildung angeht, in der Lage sein werden, an diesem Einsatz teilzunehmen.
Das Parlament: Zur Aufstellung des deutschen Kontingents: Soll es sich tatsächlich auf Sanitäter, Fernmelder und Logistiker beschränken?
Ulrike Merten: Diese Kräfte stehen zur Debatte. So scheint es in Ergänzung zu den europäischen Partnern sinnvoll zu sein. Aber genau werden wir es erst wissen, wenn die Kontingente beisammen sind.
Das Parlament: Es werden keine Kampftruppen vor Ort sein?
Ulrike Merten: Die Aufgabe wird sein, den Prozess nach den Wahlen bis zur Regierungsbildung zu begleiten und dafür zu sorgen, dass er friedlich und ungestört verlaufen kann.
Das Parlament: Wie ist bei Ihnen der Vorschlag Ihres Kollegen von der Linkspartei Wolfgang Nešcovi´c angekommen, der im Bundestag forderte, lieber 750 Zivildienstleistende in den Kongo zu schicken?
Ulrike Merten: Dieser Vorschlag ist weit von der Wirklichkeit entfernt und übersieht, dass seit vielen Jahren natürlich zivile Kräfte vor Ort sind.
Das Parlament: Frau Merten, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Almut Lüder