Union und SPD wollen mit strengeren Kontrollen bei Beziehern von Arbeitslosengeld II (Alg II) Kosten in Milliardenhöhe einsparen. Bei der Opposition stieß der 96-seitige Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende am 11. Mai im Bundestag auf harsche Kritik.
Die ursprünglich als "Optimierungsgesetz" vorgesehenen Korrekturen der Hartz-IV-Reform sollen bereits am 1. August in Kraft treten. Die Koalition erhofft sich in diesem Jahr rund 500 Millionen Euro an Einsparungen für Bund und Kommunen. Für die Jahre 2007 und 2008 ist eine Entlastung der öffentlichen Haushalte von jeweils 1,48 Milliarden Euro und für das Jahr 2009 von 1,38 Milliarden Euro eingeplant. Kernpunkt von Hartz IV war die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005.
Schwarz-Rot will alle Arbeitsagenturen verpflichten, Außendienste einzurichten. Diese sollen bei Verdacht auf Leistungsmissbrauch die Angaben der Hilfeempfänger überprüfen. Im Visier sind vor allem Personen, die zusammenwohnen und möglicherweise eine Partnerschaft verbergen, in der einer für den anderen aufkommen müsste. Künftig sollen alle Haushalte, in denen zwei oder mehrere Erwachsene länger als ein Jahr zusammenleben, grundsätzlich als Bedarfsgemeinschaften behandelt werden, also beispielsweise auch Wohngemeinschaften. Um ohne Abstriche Leistungen zu beziehen, müsste ein Langzeitarbeitsloser dann nachweisen, dass er mit seinen Mitbewohnern keine auf Dauer angelegte Gemeinschaft bildet. Auch gleichgeschlechtliche Partner, die nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingetragen sind, werden künftig generell als Bedarfsgemeinschaften eingestuft.
Im Entwurf ist auch vorgesehen, die datenschutzrechtliche Basis für Telefonbefragungen von Alg-II-Beziehern klarzustellen. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD beabsichtigen, den Datenabgleich, etwa über Konten und Depots, zu erleichtern. Wer Leistungen neu beantragt, soll zudem mit Sofortangeboten auf seine Arbeitswilligkeit hin überprüft werden: Wer also einen Ein-Euro-Job oder ein Bewerbungstraining ablehnt, bekommt auch kein Geld. Zudem soll den Langzeitarbeitslosen, die innerhalb eines Jahres zwei Mal eine Stelle oder Qualifizierung ausschlagen, das Alg II um bis zu 60 Prozent gekürzt werden.
Zugleich ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass Langzeitarbeitslose künftig 250 statt 200 Euro pro Lebensjahr (höchstens 16.250 Euro) für die Altersvorsorge zurücklegen dürfen, ohne dass Leistungen gekürzt werden. Im Gegenzug wird der Freibetrag für sonstiges Vermögen wie Sparguthaben von 200 auf 150 Euro (höchstens 9.750 Euro) gekürzt. Dies gilt auch für den Vermögensfreibetrag für Kinder von Alg-II-Beziehern. BAföG-Empfänger können unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschuss zu ihren Wohnkos-ten erhalten.
Die Fraktion Die Linke kündigte "Widerstand inner- und außerhalb des Parlaments" gegen die Koalitionspläne an. Die Linken-Arbeitsmarktexpertin Katja Kipping sprach von gegen Arbeitslose gerichteten "Sauereien". Sie betonte: "Mit moderner Sozialpolitik hat Sozialspitzelei nichts zu tun." Der sozialpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Markus Kurth, attestierte dem Entwurf "schwere Mängel und Mogelpackungen". Eine Bedarfsgemeinschaft bereits nach einem Jahr Zusammenleben anzunehmen, sei "rechtlich überhaupt nicht haltbar". Der FDP-Abgeordnete Dirk Niebel begrüßte den Entwurf zwar grundsätzlich, wandte sich aber dagegen, eine "Arbeitslosenpolizei flächendeckend" einzuführen.
Der Sozialexperte der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe (CDU), wies die Kritik zurück. "Wir brauchen schärfere Kontrollen für diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten", sagte er. Sein SPD-Kollege Rolf Stöckel unterstrich, es gehe nicht darum, Alg-II-Bezieher unter Generalverdacht zu stellen. Es gebe aber "unbestreitbar" Defizite, etwa beim Datenabgleich und beim Fördern.