Als Bundeskanzler Willy Brandt am Abend des 3. September auf den Fernsehschirmen erschien, gab er sich optimistisch. Nur wenige Stunden zuvor hatten die vier Alliierten im Kontrollratsgebäude im Berliner Stadtteil Schöneberg das Viermächte-Abkommen unterzeichnet. "Die vier Botschafter haben ein insgesamt gutes Ergebnis erzielt. Natürlich könnte ich mir etwas noch Besseres vorstellen. Aber wir erinnern uns doch alle an die Jahre, die hinter uns liegen. Und an die Schwierigkeiten, die die Berliner, für uns mit, auf sich genommen haben."
Nicht erst seit dem Mauerbau war die Frage des Status und der Zukunft Berlins das bestimmende Thema auf der politischen Agenda. Die Stadt war durch ihre Insellage seit der Nachkriegszeit ein neuralgischer Punkt: sowohl im Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR und zur Sowjetunion als auch zwischen den vier alliierten Mächten. Die Westmächte USA, Frankreich und Großbritannien sahen sich nach dem Viermächte-Status für ganz Berlin verantwortlich, während die Sowjetunion deren Zuständigkeit auf den Westteil der Stadt beschränken wollte. Doch nicht nur politisch, sondern im täglichen Leben der Berliner gab es unzählige Streitpunkte praktischer Art, die immer wieder zu eskalieren drohten. Neben der Versorgung der Westsektoren und der Frage der Präsenz der Alliierten in der ganzen Stadt, führte vor allem das Problem der Transitstrecke zwischen dem Bundesgebiet und West-Berlin immer wieder zu Konflikten. Auch der völkerrechtliche Status und die Anbindung des Westteils der Stadt waren oftmals Stein des Anstoßes.
Der Abschluss des Moskauer Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR - in dem im August 1970 unter anderem der status quo der europäischen Grenzen vereinbart worden war - brachte neue Bewegung in die Verhandlungen um die umstrittene Berlinfrage. Auch wenn die Sowjetunion anfangs einen Zusammenhang zwischen der Vertragsunterzeichnung und der Regelung dieses Kernproblems ablehnte, wurden bereits im September 1970 zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs erste Papiere für ein Berlin-Abkommen ausgetauscht. Im August einigten sich die Vertragsparteien dann doch auf einen Kompromiss, in dem sie den Vertrag in mehrere Teile aufsplitteten.
Während im ersten Teil des Viermächte- oder auch Berlin-Abkommens von "dem betreffenden Gebiet" die Rede war, bezog sich der zweite Teil ausdrücklich nur auf die Westsektoren der Stadt. Zudem ließ die Formulierung "unbeschadet ihrer Rechtspositionen" in der Präambel den Vertragsparteien ausreichenden Interpretationsspielraum. Die Alliierten betonten in dem Abkommen die Fortsetzung des Viermächte-Status der Stadt und erklärten, dass eine Änderung des status quo nur einstimmig möglich sei. Weiter wurden die besonderen Bindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik festgelegt: So war die Stadt offiziell kein konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik, ihre Bürger konnten aber weiterhin konsularisch von ihr vertreten werden. Auch für den Bundestag bedeutete dies Einschränkungen: "In den Westsektoren Berlins werden keine Sitzungen der Bundesversammlung und weiterhin keine Plenarsitzungen des Bundesrates und des Bundestages stattfinden", so ein Schreiben der drei westlichen Botschafter an Bundeskanzler Willy Brandt, in dem aber gleichzeitig eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen waren. Als konkrete Verbesserung für die Berliner wurden der ungehinderte Transitverkehr und Erleichterungen bei Reisen und die Verbesserungen im Post- und Telefonverkehr festgeschrieben.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßte zwar die konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse, kritisierte aber, dass zuviele Konzessionen gemacht worden sein: "Wir halten fest, dass der Status Berlins nicht klarer, die Präsenz des Bundes geringer und die der Sowjetunion größer wird."
Auf der anderen Seite der Mauer wurde das Abkommen hingegen als Erfolg auf der ganzen Linie gesehen. In einem Interview mit dem "Neuen Deutschland" hob der damalige SED-Vorsitzende Erich Honecker freudig hervor, dass sich die drei Westmächte in dem Abkommen "über die DDR als einen souveränen Staat" geäußert hätten. Dennoch bleibe Westberlin, so Honecker, "Störfaktor im Herzen Europas" und "Brückenkopf des Kalten Krieges".
Der Vertrag bedeutete daher insgesamt weniger eine Lösung brisanter Fragen als einen modus vivendi zwischen zwei Systemen. Prägnant brachte es der Kommentator der englischen Zeitung "The Times" auf den Punkt, als er schrieb: "Das Bemerkenswerteste an dem Berlin-Abkommen ist die Tatsache, dass es zustande kam." Annette Sach