Der am 10. März 1957 in Riad geborene Sohn eines Jemeniten und einer Palästinenserin wuchs in der religiösen Tradition der Wahhabiya Saudi-Arabiens auf. Drei ideologische Mentoren haben ihn so nachhaltig beeinflusst, dass er die Hälfte seines Lebens dem "Heiligen Krieg" gegen den "internationalen Unglauben" widmete - bis zum heutigen Tage. Dies waren zum einen zwei bedeutende Lehrer der Gesellschaft der Muslimbrüder: der Ägypter Sayyid Qutb (1906 - 1966), der ein neues, ein militärisch-politisch geprägtes Dschihad-Konzept entwickelt hatte, und der Palästinenser Abdullah Yusuf Azzam
(1941- 1989), der den "Märtyrerkult" predigte und Osama Bin Laden für seine "Bewegung des islamischen Welt-Dschihad" interessierte. Zum anderen hatte der Saudi Safar Al-Hawali, einer der wichtigsten Kulturkritiker des Westens, der im "Kreuzrittergeist" den ärgsten Gegner des Islam sieht, prägenden Einfluss auf Bin Ladens Entwicklung.
Heute wird Osama Bin Laden in der Welt der Rechtgläubigen, der dar al-islam, insbesondere von jungen Muslimen als Kämpfer respektiert und verehrt. Schließlich bietet er als "arabischer Guevara" über zehn Jahre der einzig verbliebenen Weltmacht des 21. Jahrhunderts erfolgreich die Stirn. Die USA als führende Nation der "Ungläubigen", der dar Al-harb (Gebiet des Krieges), haben ihn dementsprechend vom "Staatsfeind" zum "Hochwertziel Nummer eins" heraufgestuft.
Erst im Juni drohte der Ägypter Aiman Al-Zawahiri, der heutige Vertreter des "Hochwertziels", in einer Videobotschaft: "Erinnerst du dich, oh Bush, wie der Löwe des Islams, der Mudschaheddin Osama Bin Laden, Gott schütze ihn, schwor, dass Amerika nicht den Traum der Sicherheit träumen wird, bis (Sicherheit) Realität in Palästina und allen islamischen Ländern wird?" Der so Gepriesene schreibt nunmehr über ein Vierteljahrhundert Dschihad-Geschichte - zunächst als Kämpfer, dann als Kriegsherr und heute als spiritueller Führer.
Die "Mutter aller modernen Heiligen Kriege" war der Dschihad in Afghanistan (1979 - 1989). Mehrheitlich waren die Kriegsfreiwilligen Araber. Zu den rund 25.000 Saudis gehörte auch Osama Bin Laden, der 1982 in den Hindukusch zog. Für die "Arabi" gründete er in Pakistan Anlauf- und Ausbildungsstellen, 1986 kämpfte er mit eigener Guerillagruppe gegen die Rote Armee. Deren Abzug 1989 kommentierte er mit den Worten: "Die wichtigste Erfahrung, die wir Muslime im Afghanistan-Krieg gemacht haben, bestand darin, dass wir eine Weltmacht zu Fall bringen konnten." Als ein in der gesamten islamischen Welt geachteter tapferer Kämpfer kehrte er 1990 nach Saudi-Arabien zurück. Auf der arabischen Halbinsel galten schon im Mittelalter dominierende Beduinenstämme mit geübten Kriegern als besonders edel, was zu einem allseits respektierten "Kriegeradel" führte. Bin Ladens Krieger waren 4.000 "arabische Afghanen", die sich in Mekka und Medina niederließen.
Mit diesen Kriegsveteranen hatte er noch in Afghanistan 1988 die Gruppe Al-Qaida gegründet. Wichtigste Aufgabe der Organisation war "der Sturz gottloser Regierungen und ihre Ersetzung durch ein islamisches Regime". Um diese Ziel zu verwirklichen, arbeitete der "Liebling Gottes", so rühmten die 3.000 oder mehr Kämpfer Emir Osama Bin Laden, weiter am Aufbau eines islamistischen Netzwerkes.
Im Februar 1998 schuf er mit gleichgesinnten Dschihad-Führern die "Internationale Islamische Front für einen Dschihad gegen die Juden und Kreuzfahrer". Nach den Schlägen des 9/11 stellte er seine Dschihadisten an die Seite der Taliban, deren Führung Anfang Dezember 2001 vor den Anti-Terror-Kräften der Operation Enduring Freedom kapitulierte. Wie der Taliban-Führer Mohammed Omar entzog sich auch sein Waffengefährte Bin Laden dem Zugriff der Amerikaner bis zum heutigen Tage - er scheint spurlos verschwunden.
Als Militärorganisation zerschlagen, mutierte Al-Qaida mit Hilfe des World Wide Web zur globalen Bewegung. Das Internet wurde Operationsbasis dieser Bewegung: Eine virtuelle offene Dschihad-Universität entstand, in Internetforen wie dem islamistischen "Sada al-Jihad" wurden die Worte des Scheichs, wie Bin Laden nun ehrfürchtig genannt wurde, diskutiert und interpretiert: "Der Scheich hat uns gezeigt, dass, solange wir danach streben, Allah uns helfen wird, dem Islam durch den Dschihad das zu geben, was wir sollen. Auch mit dem Ende des Scheichs sollen wir nicht stehenbleiben." Noch lebt der Scheich, von Anhängern im Internet als "Imam des Jahrhunderts" gepriesen. Wie die alte Al-Qaida ist auch Osama Bin Laden als ihr Schöpfer zum Mythos geworden, der sich vom Militärführer hin zur ideologischen und religiösen Inspirationsquelle, zum Spiritus Rector des globalen Dschihads wandelte.