KLIMAWANDEL
Nur gemeinsam kann die globale Erwärmung noch eingedämmt werden
Der scheidende Premierminister Tony Blair nannte es eines der wichtigsten Papiere, das er in seiner Amtszeit gelesen habe: den Bericht des britischen Ökonomen Sir Nicolas Stern. Er brachte das Thema Klimawandel und globale Erwärmung nicht nur einer großen Öffentlichkeit nahe, sondern katapultierte das Thema ganz oben auf die politische Agenda. Auch auf dem bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm wollen die großen Industriestaaten beraten, wie die globale Erwärmung eingedämmt werden kann. Ganz bewußt machte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Frage zum Topthema der deutschen EU-Ratspräsidentschäft - als Physikerin wohl wissend, dass es bereits später als "fünf vor zwölf" ist.
Auch der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer warnte bei einer Anhörung des Bundestages zum Thema Klimawandel am 23. Mai in Berlin vor einem Scheitern der Gespräche in Heiligendamm: "Was bei der G8(+5)-Runde nicht erreicht werden kann, wird extrem schwer in Bali erreicht werden können", sagte Töpfer mit Blick auf den im Dezember stattfindenden UN-Klimagipfel auf Bali. Gleichzeitig hob der ehemalige Direktor des UNEP-Umweltprogramms hervor, dass es zwar keinen "sinnvollen Zweifel" am Klimawandel gebe, aber noch immer eine Reihe offener Fragen. Die Welt befinde sich bereits an der "Schwelle der Übernutzung", denn bisher habe jeder die Atmosphäre nutzen können, ohne dafür einen Preis zu bezahlen. Dabei seien jedoch die G8-Staaten für 60 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich, so Töpfer. Er sprach sich daher dafür aus, gerade die Länder für den Klimawandel heranzuziehen, die "hauptsächlich dafür verantwortlich" seien.
Auf die immer wieder gestellte Frage, wie sicher es denn überhaupt sei, dass der Mensch die Klimakatastrophe verantworte, führte der Sachverständige Professor Stefan Rahmsdorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verschiedene Beweise an. So seien unter anderem der Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration um mehr als ein Drittel sowie eine erhebliche Zunahme der Treibhausgase eindeutig wissenschaftlich zu belegen. Allein in den letzten 100 Jahren habe es jedoch eine Klimaerwärmung von circa 0,8 Grad gegeben. Fraglich sei lediglich, wie stark die Rückkoppelung auf das Klimasystem sei. Als Folge der Erderwärmung nannte er einen Anstieg der Zahl der Hitzetoten, die Ausbreitung von Dürren, in Europa insbesondere im Mittelmeerraum, Überschwemmungen, Hurrikane sowie den Anstieg des Meeresspiegels.
Diese Szenarien hat Professor Gerhard Berz von der Ludwig-Maximilians-Universität in München seit langem für Versicherungen untersucht. Bereits seit den 70er-Jahren war der Meteorologe für die Georisikoforschung der Münchner Rückversicherung tätig. Die Versicherungen seien ein, so Berz, "weltweites Frühwarnsystem". So seien in den vergangenen 25 Jahren 95 Prozent der durch Wetter verursachten Schäden von so genannten Wetterextremen verursacht worden. Die Versicherungsschäden seien dadurch um das Sechsundzwanzigfache gestiegen, sagte er.
Als "globale Herausforderung" bezeichnete auch Jos Delbecke, Direktor der EU-Kommission bei der Generaldirektion Umwelt den Klimawandel. Er lobte die Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft beim März-Gipfel, auf der eine unilaterale Reduzierung der Treibhausgase in Europa um 20 Prozent beschlossen worden war. Um die Klimaziele zu erreichen, sei es aber nicht allein ausreichend, entsprechende Technologien zu entwickeln, sondern es gehe auch um die Frage, wie diese Technologien eingesetzt würden. Dabei setze die EU-Kommission in der Zukunft besonders auf eine Strategie der Energieeffizienz und auf erneuerbare Energien. Hinsichtlich der Kernenergie erklärte Delbecke, dass dies eine "Entscheidung auf der Ebene der Mitgliedstaaten" sei. Dennoch müssten globale Lösungen gefunden werden: "Wenn Europa alleine handelt, wird nichts passieren", sagte er. Dabei betonte er, dass gerade auch die Entwicklungsländer in diesen Prozess einbezogen werden müssten. "Wenn wir kein Regelwerk haben, das die Entwicklungsländer mit an Bord nimmt", so Delbecke, "werden wir versagen."