Herr Krichbaum, Sie sind neuer Vorsitzender des Europaausschusses. Was kann dieser Ausschuss in Brüssel eigentlich bewirken?
Der Bundestag wird sich in Zukunft noch selbstbewusster in die europapolitischen Diskussionen einmischen. Wir wollen von Entscheidungen in Brüssel frühzeitig informiert werden und eigene Vorstellungen einbringen. Das geschieht auch gemeinsam mit anderen nationalen Parlamenten, wie jüngst bei der COSAC, der Konferenz der Europaausschüsse der Parlamente.
Kann damit wirklich mehr Akzeptanz für europapolitische Entscheidungen erreicht werden?
Wir haben den Auftrag, in die Bevölkerung hineinzuwirken. Dabei wollen wir unsere Mitsprachemöglichkeiten aktiv nutzen - Europapolitik darf keine bürgerferne Politik sein. Das Subsidiaritätsprinzip muss konsequent umgesetzt werden. Denn die Akzeptanz für Entscheidungen ist umso größer, je näher sie am Menschen sind. Nur was über die Kraft der Nationalstaaten hinausgeht, sollte Europapolitik sein.
In dieser Woche soll der Fahrplan für den Verfassungsvertrag beraten werdne. Kann Bundeskanzlerin Merkel den Vertrag retten?
Wir sind auf einem guten Weg. Die kleineren Staaten werden in die Diskussion miteinbezogen und mit ihren Bedenken ernst genommen. Spätestens bis zur nächsten Europawahl 2009 müssen wir den Bürgern einen Vertragstext vorlegen. Wichtig ist dabei vor allem, dass die Substanz erhalten bleibt. Der Name ist dabei zweitrangig. Wir brauchen eine institutionelle Neuordnung für das Europa der 27. Das ist ganz entscheidend, denn es hat sich gezeigt: Die Schuhe des Vertrags von Nizza sind zu klein.
Welche Schwerpunkte setzt der Europaausschuss für die zweite Hälfte der Legislaturperiode?
Zunächst ist es jetzt an uns Parlamentariern, die Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen dem Bundestag und der Bundesregierung mit Leben zu erfüllen. Weiter werden uns auch das Beitrittsersuchen von Kroatien, die Verhandlungen mit der Türkei und die Energiepolitik beschäftigen. Aber auch der Migrationsdruck aus Afrika bleibt auf der Agenda. Hier erleben wir momentan nur die Spitze des Eisberges. Die Nachbarschaftspolitik mit Russland und der Ukraine sowie die Schwarzmeerpolitik werden ebenso auf der Tagesordnung stehen.
Wenn Sie an Europa denken, welches Bild fällt Ihnen da spontan ein?
Ich habe noch vor Augen, wie ich mit meinen Eltern auf dem Weg nach Frankreich stundenlang an der Grenze warten musste. Heute fahren wir ganz selbstverständlich über die Grenzen - die gibt es nur noch in einigen Köpfen - aber daran sieht man, welch rasante Entwicklung Europa genommen hat.
Die Fragen stellten
Verena Frick und
Annette Sach