Ein Untersuchungsausschuss ist keine Gerichtsinstanz. Diese Sitzung erinnert indes streckenweise an TV-Sendungen, in denen Advokaten vor Justitias Schranken die Klingen kreuzen. SPD-Obmann Thomas Oppermann als Verteidiger der früheren Regierung versucht den Zeugen mit teils scharfen Angriffen, teils ironischen Worten in die Enge zu treiben und in seiner Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Die Oppositionsfraktionen wiederum protestieren öfter beim Vorsitzenden Siegfried Kauder (CDU/CSU) mit Einsprüchen, weil Oppermann mit Unterstellungen und falsche Behauptungen taktiere.
Die Nervosität hat ihren guten Grund. Mit Lothar Jachmann tritt immerhin der inzwischen pensionierte Ex-Vizechef des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) auf, der die Stichhaltigkeit der Verdachtsmomente gegen den einstigen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz in Zweifel zieht. Die zwischen Herbst 2001 und Februar 2002 vom LfV gesammelten Erkenntnisse seien "zu vage" gewesen und hätten keinen Verdacht auf terroristische Aktivitäten gerechtfertigt.
Auch mit dem Verweis auf die damaligen LfV-Ermittlungen hatten freilich die Geheimdienstspitzen und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier Kurnaz als Gefährder eingestuft und im Oktober 2002 eine Einreisesperre für den Fall seiner Freilassung aus Guantanamo verfügt.
Die Opposition, die schon enttäuschendere Stunden erlebt hat, kann Jachmanns Aussagen als Pluspunkt verbuchen. Als Zeuge geladen ist der Ex-Geheimdienstler, weil er in Medien LfV-Leiter Walter Wilhelm scharf kritisiert hatte. Vor den Abgeordneten zeigt sich Jachmann erneut "empört" über dessen Vermerk vom Dezember 2005, wonach Kurnaz im Herbst 2001 in Pakistan den Kampf der Taliban und von Al-Qaida aktiv unterstützt habe.
Als er das gelesen habe, so der Zeuge, sei er "wie ein HB-Männchen hochgegangen". Eine solche Bewertung auf nur dünner Verdachtslage sei "luschig" und "unprofessionell", wischt er Wilhelm eine aus. So habe eine "Quelle" etwa über eine von Kurnaz besuchte Moschee nur "lapidare Informationen" geliefert.
Für ihn, so Jachmann, seien die Vorwürfe im Herbst 2002 "weitgehend ausgeräumt" gewesen, nachdem Kurnaz in Guantanamo von deutschen Diensten verhört worden sei. Dahingehend habe sich bei einem Treffen im LfV "Dr. K." vom Bundesamt für Verfassungsschutz geäußert, der an dieser Vernehmung beteiligt war. Allerdings habe Dr. K. gesagt, "in Berlin" sei man über eine eventuelle Rückkehr des Türken "nicht glücklich".
Was die Opposition erfreut zur Kenntnis nimmt, erbost Oppermann. Der SPD-Obmann wirft Jachmann vor, über die gegen Kurnaz vorliegenden Verdachtsmomente nur unzureichend unterrichtet zu sein. Zudem hält Oppermann dem Zeugen vor, im Februar 2002 doch selbst eine Reihe von Erkenntnissen nach oben gegeben zu haben, die dann zur Einschätzung des Türken als Sicherheitsrisiko geführt hätte. Offenbar habe Jachmann heute ein schlechtes Gewissen und wolle sich von seinem damaligen Verhalten distanzieren.
Der Zeuge kontert diesen Vorwurf, die weitergeleiteten Informationen habe er mit der Einschränkung versehen, deren abschließende und zuverlässige Bewertung sei nicht möglich. Dahingehend hat sich auch Bremens CDU-Innensenator Thomas Röwekamp geäußert, der noch im Ausschuss gehört werden soll.