Oft genug sind die Verfassungsrichter als "Ersatzgesetzgeber" gescholten worden. Diesmal war es andersrum: Aus den Reihen der CDU verlautete nach dem Urteil zum rot-grünen Etat 2004, man hätte sich klarere Vorgaben zur Schuldenbegrenzung gewünscht. Dabei ist die Union bekanntlich an der Regierung - sie könnte also selbst tun, was Karlsruhe unterlassen hat.
Doch die Politik misstraut sich selbst: Sollte sich nun ausgerecht jener Bundestag Schuldengrenzen verordnen, der seit vier Jahrzehnten Schuldenhaushalt um Schuldenhaushalt verabschiedet hat? Zwar wächst allenthalben die Einsicht, dass ordentliches Haushalten - ähnlich wie der Klimaschutz - Verantwortung für künftige Generationen bedeutet. Doch selbst nach Steinbrücks für 2011 versprochener "Null" wäre der 900-Milliarden-Schuldenberg noch keinen Cent geschrumpft.
Das Bundesverfassungsgericht hat die historische Chance verpasst, den Trend zum Sparen unumkehrbar zu machen. So sehr die Richter auch an den Gesetzgeber appellieren: Sie haben nur die Lippen gespitzt - pfeifen sollen andere. Dabei hätten sie nur tun müssen, was seit jeher das Geschäft der Juristen ist: einen Begriff definieren. Denn die Regelgrenze für neue Schulden ist laut Grundgesetz die Höhe der "Investitionen" - ein notorisch unscharfer Terminus. Mit klaren Konturen hätte Karlsruhe den Spielraum zum Schuldenmachen empfindlich eingeschränkt - ganz ohne sich zum Ersatzgesetzgeber aufzuschwingen.