Die Terroranschläge vom 11. September 2001 waren eine Zäsur. "Wer den Tod liebt, kann ihn haben" - drohte bald darauf Ex-Innenminister Otto Schily den Islamisten. Eine bis dahin unvorstellbare Äußerung eines deutschen Politikers. Nachfolger Wolfgang Schäuble hat an dessen Politik nahtlos angeknüpft. Eine staatliche, gezielte Tötung Osama Bin Ladens würde er akzeptieren. Und auf den "Otto-Katalog" mit verschärften Sicherheitsgesetzen folgt jetzt der "Schäuble-Katalog". Einsatz der Bundeswehr im Innern und Online-Durchsuchung sind die Stichworte. Insofern besteht Kontinuität in der Innenpolitik.
Im Antiterrorkampf will Schäuble ebenso wenig wie sein Vorgänger Denkverbote akzeptieren. Die Frage, ob der Rechtsstaat bis an seine Grenzen gedehnt, vielleicht sogar überdehnt werden darf, wurde bereits vor 30 Jahren diskutiert. Damals bedrohte die Rote-Armee-Fraktion den Staat, jetzt sind es die Islamisten. Beantwortet ist die Frage bis heute nicht.
Doch die öffentliche Diskussion darf den Ernstfall im Antiterrorkampf nicht ausblenden. Wenn der Tod unzähliger Menschen nur durch die Folter oder gar die gezielte Tötung eines Attentäters verhindert werden kann, stünde der Rechtsstaat vor seiner größten Bewährungsprobe. Übergesetzlicher Notstand und Güterabwägung sind die rechtlichen Hilfskonstruktionen, die Schäuble präzisieren will. Dazu wird es vor einem möglichen Terrorangriff nicht kommen. Dabei sind es keine entlegenen Probleme, die der Innenminister thematisiert hat. Erst wenn sich die terroristische Bedrohung konkretisiert, werden dessen Forderungen hochaktuell. Dann schlägt für den Rechtsstaat die Stunde der Wahrheit, in der man lästigen Fragen nicht länger ausweichen kann.