Speichermedien
Material, Brenner und Leselaufwerke können die Haltbarkeit beeinflussen
Fast 500 Jahre hat der Speicher auf dem Buckel - und bislang ist kein einzelnes Fitzelchen Information verloren gegangen. Das Speicherwunder überzeugt nicht nur durch seine Langlebigkeit, es ist zugleich ein Augenschmaus. Trotzdem wirkt die reich verzierte Luther-Bibel altbacken, denn sie besteht aus schnödem Papier. Das Werk steht im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Und sofern der Saal nicht abbrennt oder Wasser durchs Dach eindringt, wird das Buch aus dem 16. Jahrhundert wohl noch hunderte weitere Jahre erhalten bleiben.
Von Texten, Grafiken und Animationen aus dem Internet kann man das nicht unbedingt behaupten. Und selbst die modernen Varianten des Buchs, von CD-Rom oder DVD, sind im Laufe der Jahre stärker vom Verfall bedroht als manche Lutherbibel. Die Digitaltechnik hat unsere Wissensgesellschaft erst ermöglicht - und bedroht sie zugleich durch ihre Schnelllebigkeit. Welche Information heute wo auch immer gespeichert wird, ist in ein paar Jahren im schlimmsten Fall nichts anderes als unlesbarer Datenmüll.
Disketten waren noch vor 15 Jahren das wohl am häufigsten genutzte Speichermedium an PCs - heute werden Computer kaum noch mit Laufwerken dafür ausgerüstet. Wer alte Disketten einlesen will, hat Pech gehabt. Selbst die Nachfolgemedien CD und DVD neigen zum Verfall und damit zum Datenverlust. Vorbespielte Datenträger dürften zwar locker Jahrzehnte halten, sofern der Hersteller keine billigen Lacke oder Klebstoffe verwendet hat. Aber was sind ein paar Jahrzehnte im Vergleich zu dem, was eine Luther-Bibel auf dem Buckel hat?
Bei der Datensicherung kommen häufig Rohlinge zum Einsatz. Diese sind allerdings wesentlich empfindlicher als vorbespielte Silberscheiben. Bei gebrannten CDs und DVDs komme es auf die Qualität der Medien an, sagt Hartmut Gieselmann von der Computerzeitschrift "c't", aber genauso zähle der Brenner, die Lagerung und das Leselaufwerk. "Ist alles optimal, halten die Dinger Jahrzehnte", meint er. Es könne aber auch passieren, dass die Scheiben direkt nach dem Brennen nicht mehr lesbar seien. Festplatten haben dieselbe Schwäche: Auch ihre Lebensdauer ist begrenzt. Im schlimmsten Fall zerstört der Lesekopf die Magnetschicht und Daten können selbst von Spezialisten nicht mehr ausgelesen werden.
Ständig neue Speichermedien sind aber nicht nur ein Problem der Digitaltechnik. Noch deutlich schneller als die Medien wechseln die Formate. Einfache Textdateien und MP3s werden Computer wohl auch noch in Dutzenden Jahren entziffern können. Was aber geschieht mit exotischeren Dateitypen? Warum sollte eine Bildbearbeitungssoftware Formate verstehen, die seit Jahren nicht mehr genutzt werden? Was ist mit Beständen einer Datenbanksoftware, deren Hersteller längst Pleite gegangen ist?
Eine Ahnung davon, was es heißt, Dateien plötzlich nicht mehr lesen zu können, haben Profifotografen. Sie arbeiten häufig mit Rohdaten ihrer Digitalkamera (Raw). Doch leider hat jeder Hersteller seinen ganz eigenen Raw-Standard und wechselt diesen mitunter sogar von Kameramodell zu Kameramodell. Es ist logisch, dass es für ältere Raw-Formate irgendwann keine Importfilter mehr gibt, um die Bilder mit modernen Bildbearbeitungsprogrammen zu bearbeiten.
Anwendern, die auf Nummer sicher gehen wollen, bleibt nur eins übrig: Informationen stets mehrfach sichern - im Idealfall auf verschiedenen Medien. Und immer auf der Höhe der Zeit bleiben. Wenn Medien oder Formate vom Markt verschwinden, wie die Diskette oder ein Raw-Standard, dann müssen die Daten auf ein moderneres Medium oder in ein moderneres Format umkopiert werden. Wer das nicht tut, steht am Ende mit leeren Händen da.
Der Autor ist Redakteur im Ressort Netzwelt und Wissenschaft von "Spiegel online".