AUFBAU OST
Norbert Peche will den Erfolg herbeischreiben
Die ostdeutsche Wirtschaft kann sich nicht wie Münchhausen selbst aus dem Sumpf ziehen. Allenfalls einzelnen Unternehmen kann dies gelingen, so das Urteil des ostdeutschen Wirtschaftsprofessors Norbert Peche. Der Autor ruft die Ostdeutschen zu einer politischen Bürgerbewegung auf, um zu erreichen dass die Parteien vorrangig ostdeutsche Interessen vertreten. Sollte das nicht gelingen, müsste diese Bürgerbewegung auch an Wahlen teilnehmen. Damit ist Peche beim Thema seines Buches angelangt: Der Aufbau Ost muss mit allem Nachdruck auf die politische Agenda. Er bemüht sogar den Teamgeist, den ein Jürgen Klinsmann bei der Fußball-WM zu entfachen wusste. Nur wenn viele kleine Klinsmänner im Osten Begeisterung wecken und für eine Aufbruchstimmung sorgen, kann die Wirtschaft wettbewerbsfähig werden und Wohlstand einkehren.
Diesem Appell geht eine umfassende und ernüchternde Analyse der bisherigen Bemühungen voraus, der Wirtschaft in den neuen Ländern auf die Beine zu helfen. Wenn auch die meisten der Ratschläge Peches nicht wirklich neu sind, so stellen sie doch in ihrer Gesamtheit ein Aufbauprogramm dar, das durch kompromisslose Radikalität gekennzeichnet ist: Vorrang für den Osten. Regulierungsautonomie für die neuen Länder, Privilegierung von Ostfirmen bei öffentlichen Vergaben, Export- und Absatzförderung, gezielte Erleichterung des Marktzutritts für neue Anbieter aus Ostdeutschland, Förderung von Marketinggemeinschaften.
Peche, als Unternehmensberater auch Praktiker, beschränkt seine Einsichten nicht auf die ökonomischen Versäumnisse, sondern argumentiert auch interessenpolitisch: Die westdeutsche Industrie betrachtete die neuen Länder vorwiegend als Absatzgebiet. Der Aufstieg neuer Konkurrenten war nicht erwünscht. Dabei kultiviert der Autor das Bild vom benachteiligten Ostler, dem die Chuzpe fehlt, so egoistisch zu sein, wie es die Westdeutschen von klein auf gelernt haben.
Ob der Autor mit seinen Mahnungen die politischen Entscheidungsträger aufrütteln kann, ist zu bezweifeln. Zum einen passt das Krisenszenario nicht so recht zur aktuellen Aufschwungseuphorie. Zum anderen ist der Aufbau Ost längst politisches Alltagsgeschäft geworden, das es gerade mal zum Tag der Deutschen Einheit in die Schlagzeilen schafft.