FINANZAUFSICHT
Bundesbank und BaFin teilen sich die Kompetenzen. Die Krise an den Börsen und bei Banken konnten beide nicht verhindern
Seitdem die Finanzkrise weltweit die Bankenszene in Atem hält, wird über ein Konzept für eine neue Finanzaufsicht diskutiert. Was wiederum der eigentlichen Arbeit schadet. Sagt zumindest Norbert Walter, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Die, die es betrifft, sind mit der heutigen Finanzaufsicht zufrieden. Das System und die Aufteilung der Arbeit auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) in Bonn und auf die Bundesbank habe sich bewährt, betont Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB). Was auch eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) im Auftrag der Bundesregierung bestätigt. Nur eine Minderheit der Banken und Sparkassen ist mit der Arbeit der Bankenaufseher unzufrieden. Seit der Gründung der BaFin im Jahr 2002 habe die Qualität der Bankenaufsicht zugenommen, sagen die, die kontrolliert werden.
Mit den im Sommer aufgedeckten schweren Schieflagen bei der Mittelstandsbank IKB und der SachsenLB hat die Diskussion neue Nahrung gewonnen. Denn bei allen Beteuerungen durch die BaFin und die Bundesbank ist unklar, wie Banker am eigenen Aufsichtsrat und an den Bankenaufsehern vorbei mit so genannten Zweckgesellschaften offenbar seit Jahren große, milliardenschwere Räder mit hochriskanten Anleihen und Verbriefungen auf minderwertige US-Hypothekenkredite drehen konnten. Die BaFin will die SachsenLB mehrfach gewarnt haben, nachdem sie durch eine Sonderprüfung schwere Mängel im Risikomanagement festgestellt habe. "Wir haben alle aufsichtsrechtlichen Register gezogen", sagte BaFin-Sprecherin Sabine Reimer. Die Aufseher hätten Vorstände verwarnt und sie zu Wertberichtigungen aufgefordert.
Wer Jochen Sanio, den noch allmächtigen Präsidenten der BaFin, kennt und wer mit Experten der Bundesbank spricht, kann daran wenig Zweifel haben. Doch die, die das System von außen betrachten, üben Kritik, etwa der Sachverständigenrat: Die Wirtschaftsweisen wollen die Rolle der Bundesbank stärken. "Wir sind der Auffassung, dass für Deutschland eine vernünftige Lösung wäre, alle bankaufsichtsrechtlichen Kompetenzen bei der Bundesbank anzusiedeln", sagt Professor Peter Bofinger. Mehr noch: Am besten solle die gesamte Finanzaufsicht, also auch die Kontrolle der Wertpapiergeschäfte und der Versicherungen, unter das Dach der Bundesbank, empfehlen sie in ihrem jüngsten Jahresgutachten. Mit anderen Worten: Die BaFin soll ihre Eigenständigkeit verlieren und in die Bundesbank "integriert" werden. Die Zweigleisigkeit der Bankenaufsicht würde damit aufgehoben. Dadurch könne die Bankenaufsicht schneller reagieren als bisher, so die Sachverständigen. Weil die Bankenaufsicht durch die Anbindung an die Notenbank dichter am täglichen Marktgeschehen sei.
Dem Bundesfinanzministerium untersteht die BaFin, nicht aber die unabhängige Bundesbank. Ergebnis der Reformdebatte ist ein Gesetz zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der BaFin, das der Bundestag bislang noch nicht beschlossen hat. Vom Frühjahr an soll die Behörde nicht mehr nur von einem Präsidenten mit einem Vizepräsidenten, sondern von einem Gremium mit fünf eigenverantwortlichen Direktoren geführt werden. Faktisch würde Präsident Sanio entmachtet, auch wenn er für die strategische Ausrichtung der BaFin zuständig bleibt. Damit werde die Voraussetzung für "fachlich sicher verankerte Entscheidungen" geschaffen, betont die Regierung. Die Behörde selbst hält sich bei der Bewertung des Umbaus zurück. Der ist, sagen Experten, keine Konsequenz aus möglichen Versäumnissen in der jüngsten Finanzkrise, sondern Folge des Korruptionsskandals in der BaFin vor gut einem Jahr. Ein Referatsleiter hatte über Jahre hinweg insgesamt 4 Millionen Euro unterschlagen, ohne dass der oberste Finanzaufseher im eigenen Haus etwas gemerkt hatte. Sanio stand für einige Zeit auf der Kippe, aber seine Erfolge bei der Bewältigung diverser Probleme in der Finanz- und Versicherungsbranche und sein hohes internationales Ansehen haben ihn letztlich im Amt gehalten. Ganz unabhängig von den Schieflagen bei IKB und SachsenLB und von der neuen Führungsstruktur der BaFin sind zum Jahresbeginn die neuen Eigenkapitalrichtlinien für Banken ("Basel II") in Kraft getreten. Sie besagen unter anderem, dass Kredite der Banken auch an außerhalb der Bilanz angesiedelte Zweckgesellschaften in der Bilanz vermerkt und mit Eigenkapital unterlegt, also abgesichert werden müssen. Während die BaFin in der Debatte eher eine defensive Rolle spielt, pocht die Bundesbank offensiv auf ihre aktive Rolle, bestärkt auch durch die Unterstützung aus dem Bankenlager. "Die Einbindung der Notenbank in die Bankenaufsicht hat sich bewährt", sagt Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler. Gerade die jüngste Krise habe das wieder gezeigt. "In der Notenbank laufen die Informationen aus der Geldpolitik, der Refinanzierung, dem Geld- und Kapitalmarkt, dem Zahlungsverkehr und der Bankenaufsicht zusammen." Aber auch Zeitler räumt ein, dass im Blick auf die Zusammenarbeit mit der BaFin Verbesserungsbedarf bestehe. Dabei geht es im Wesentlichen um die praktische Arbeit. Das DIW etwa reklamiert mehr Transparenz und eine höhere Effizienz, auch die Beseitigung von Doppelarbeit und Überschneidungen sei wünschenswert. Generell hat die Bundesbank drei Pluspunkte auf ihrer Seite: Sie ist näher am Marktgeschehen, weil sie jeden Tag selbst im Markt aktiv ist, zusammen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) die Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld regelt und über das reibungslose Funktionieren des Geldmarktes zwischen den Geschäftsbanken wacht. Wird es eng, kann sie in Abstimmung mit der EZB kurzfristig zusätzliches Geld einschießen, wie mehrfach während der jüngsten Krise geschehen. Zum anderen ist sie mit dem Sitz in Frankfurt direkt am deutschen Finanzzentrum angesiedelt, während die BaFin von Bonn aus das Geschehen zu überblicken sucht. Dritter Vorzug der Bundesbank: Sie ist über die laufende Aufsicht und damit über regelmäßige Prüfungen und Gespräche in den Banken unmittelbar mit den Problemen vertraut. Was freilich nicht verhindert, dass Probleme wie mit Anleihen auf US-Hypotheken auch von den knapp 50 Bundesbank-Aufsehern nicht erkannt wurden. Oder mangels Information durch die Banken nicht erkannt werden konnten. Dabei ist die "vorbeugende Überwachung" laut Gesetz und damit die Abwehr von Gefahren im Hinblick auf Pleiten und Schieflagen die zentrale Aufgabe der Bankenaufsicht.
Prinzipiell wird die Regierung an der Aufteilung der Aufsicht auf BaFin und Bundesbank nicht rütteln. Das Verhältnis müsse neu justiert werden, sagt Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Vergangene Woche haben sich Bundesbank und BaFin über die künftige Abgrenzung ihrer Aufsichtskompetenzen geeinigt. Danach soll die BaFin weiterhin die alleinige Zuständigkeit für alle aufsichtsrechtlichen Maßnahmen wie die Erteilung von Banklizenzen oder die Abberufung von Geschäftsleitern haben. Sie soll nach Abstimmung mit der Bundesbank auch über die Auslegung bankaufsichtlicher Regelungen entscheiden. Dagegen ist die Bundesbank für die laufende Überwachung der Kreditinstitute zuständig. Das "routinemäßige Aufsichtsgespräch" mit den Banken soll ebenso in ihre Zuständigkeit fallen wie bankgeschäftliche Prüfungen.
Eine europäische Aufsichtsbehörde wird es kaum geben. Ziel ist zunächst eine engere Zusammenarbeit der nationalen Behörden. Und letztlich, wie es nicht nur BdB-Hauptgeschäftsführer Weber vorschwebt, ein europäisches System der Bankaufsichtsbehörden, ähnlich dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) mit der EZB an der Spitze. Dabei sollen die nationalen Aufseher ihre Aufgaben im Prinzip behalten. Schließlich wäre es wenig sinnvoll, würde eine Privatbank in München oder eine Sparkasse in Niedersachsen von einem zentralen europäischen Aufsichtsamt überwacht.
Bei den Aufgaben mit Blick auf Börse, Insidergeschäfte oder Anlegerschutz ist in erster Linie die BaFin gefragt. Folglich muss sie sich immer mal wieder vorhalten lassen, vermutete Insiderverstöße nicht oder zu spät zu erkennen. Tatsächlich bringt die Analyse von verdächtigen Vorfällen eher selten ein Ergebnis, das für weitere Ermittlungen an die Staatsanwälte weitergegeben wird. Und Strafen für erwischte Insider halten sich, klagen Experten, meist in Grenzen.
Auch mit Blick auf den so genannten "grauen" Kapitalmarkt sei die Finanzaufsicht zu lasch, kritisieren Anlegerschützer. Allerdings sind die Kompetenzen der BaFin auf diesem Feld begrenzt, weil sich hier meist Anbieter tummeln, die nicht der Aufsicht unterliegen. Zwar gibt es seit 2005 eine Prospektpflicht für Produkte auch unregulierter Anbieter. Die BaFin kontrolliert allerdings nur, ob die Prospekte formal in Ordnung sind. Inhalte und Plausibilität entziehen sich der Prüfung, klagt Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen im Bundestag.
Auch das Deutsche Institut für Anlegerschutz (DIAS) in Berlin bemängelt die fehlende Kompetenz der BaFin für den "grauen" Kapitalmarkt. Pleiten und Skandale wie bei Phoenix Kapitaldienst oder bei der Göttinger Gruppe sind bislang nur schwer zu verhindern. Dabei haben allein im Fall der Göttinger Gruppe, dem laut DIAS-Experte Volker Pietsch größten Anlageskandal der Nachkriegsgeschichte, über 250.000 Anleger eine Milliarde Euro, ihre gesamte private Altersvorsorge, verloren.
Der Autor ist Wirtschaftskorrespondent
in Frankfurt am Main.