BRÜSSEL
Die EU-Kommission hat Pläne zur Sicherung der europäischen Grenzen vorgestellt. Mit unterschiedlichsten technischen Methoden soll die Zahl illegaler Flüchtlinge reduziert werden
Unbemannte Aufklärungsflugzeuge über den Außengrenzen der Union, multinationale Grenzteams mit Europaflagge auf dem Ärmel, biometrische Schleusen auf Flughäfen und an Grenzübergängen - so sieht die Vision der EU-Kommission für ein "integriertes Grenzmanagement des 21. Jahrhunderts" aus. Doch das sei nur die eine Seite, warb der EU-Innenkommissar am 13. Februar in Brüssel für den Plan. Während die Zahl der unerwünscht in die Union Einreisenden damit reduziert werden solle, werde gleichzeitig die Bewegungsfreiheit derer erhöht, die in Europa willkommen seien. Sein Grenzsicherungskonzept verkauft EU-Innenkommissar Franco Frattini mit einem Argument, das nationale Innenminister und Ermittler gern gebrauchen: "Es kann nicht sein, dass die Mafia technisch besser ausgestattet ist als wir." Wenn die Mitgliedstaaten mitmachen und die Geldtöpfe es hergeben, dann wird die Festung Europa innerhalb der kommenden sieben Jahre mit den neuesten technischen Möglichkeiten gesichert.
Für Geschäftsleute mit gesichertem Einkommen und biometrischem Pass, die mehrmals jährlich für kurze Dauer in die EU reisen, soll das Leben unkomplizierter werden. Sie beantragen eine Einreisegenehmigung in den Schengenraum, die von den Grenzbehörden geprüft und mit Datenbanken für Visavergehen, Asylanträge und Kriminalregistern verglichen wird. Geben die Behörden grünes Licht, gilt die Genehmigung für fünf Jahre. Die Vorschrift, dass ein Besuch nicht länger als drei Monate dauern darf, bleibt unverändert bestehen. Doch langwierige Passkontrollen werden durch kurzen Abgleich der biometrischen Daten ersetzt.
Dieses auf eurokratisch STA (System for Travel Authorisation) genannte Projekt ist Teil eines Ideenpakets, das die EU-Kommission vergangene Woche zur Diskussion stellte. Es umfasst drei Mitteilungen. Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX soll aufgewertet und mit neuen Aufgaben betraut werden. Der Grenzschutz soll mittelfristig in Zonen eingeteilt werden, wo Beamte mehrerer Staaten sich gegenseitig unterstützen. Ein elektronisches System mit modernster Datentechnik soll jeden Einreisenden aus Drittstaaten biometrisch registrieren, die Daten den Behörden im Schengenraum zugänglich machen und seine Ausreise speichern. Hat der Betreffende nach drei Monaten das Land nicht verlassen, wird sein Eintrag mit einer Warnung versehen. Bei Personenkontrollen würde ein Abgleich der Fingerabdrücke mit der Einreisedatenbank genügen, um herauszufinden, dass die Drei-Monats-Frist abgelaufen ist.
Wie schwierig es in der Praxis ist, die Mitgliedstaaten auf eine Linie zu bringen, überall die gleichen technischen Voraussetzungen zu schaffen und die Systeme zu vernetzen, zeigt das Visainformationssystem VIS, das eigentlich 2006 hätte an den Start gehen sollen. Es speichert die biometrischen Daten aller Visaantragsteller für den Schengenraum. Bewerber, denen bereits anderswo in der EU ein Visum verweigert wurde, sollen es nicht erneut versuchen können. "Überfällige Besucher" sollen leichter aufgespürt werden können. Die Ein- und Ausreisen in den Schengenraum werden auf mindestens 300 Millionen Reisebewegungen jährlich geschätzt. Davon entfallen 160 Millionen auf EU-Bürger oder Drittstaatler mit einer Aufenthaltsgenehmigung für die EU, 80 Millionen auf visumpflichtige Reisende und 60 Millionen auf Drittstaatsangehörige aus Ländern wie den USA oder Kanada, die kein Visum benötigen. Auch sie müssen die EU im Regelfall nach 90 Tagen verlassen.
Schon 2006 schätzte man die Zahl derer, die nach Ablauf des Visums illegal im Schengenraum bleiben, auf drei Millionen Menschen. Die Zahl sämtlicher illegaler Flüchtlinge in der EU wurde auf 8 Millionen geschätzt. Die Kommission hält das VIS für eine wichtige Vorstufe ihrer neuen Pläne. Sie hofft, dass es 2009 endlich an den Start gehen kann. Das neue Einreise-Ausreise-Register soll frühestens 2015 betriebsbereit sein. Bis dahin wird heftig über die Details gestritten werden. Denn die Mitgliedstaaten geben nicht gern Hoheitsins-trumente wie Zollkontrollen oder Grenzschutz in europäische Zuständigkeit ab.
In Deutschland wandten sich Datenschützer und Politiker von SPD, FDP und Grünen gegen die Vorschläge. "Das bloße Sammeln von Daten ist keine intelligente Sicherheitspolitik", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz. Seine FDP-Kollegin Gisela Piltz meint: "Frattini überzieht mit seinen neuen Vorschlägen maßlos." Grünen-Chefin Renate Künast will "eine Einwanderungspolitik, die legale Zuwanderung möglich macht", statt sich mit ungeheurem Aufwand abzuschotten. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bezweifelt, dass ein Sicherheitsgewinn erreicht wird. Vielmehr sei das Projekt "ein großer Schritt zur immer lückenloseren Registrierung unseres Reiseverhaltens".
Kommissar Frattini versuchte die Bedenken mit der Zusicherung auszuräumen, die Datenschutzbestimmungen der EU würden den neuen Bedingungen angepasst - und zwar bevor die neuen Gesetze in Kraft treten. Das wird die Kritiker kaum besänftigen. Da Mitgliedstaaten und EU-Parlament den Plänen zustimmen müssen, wird Frattini seine schöne neue Sicherheitswelt wohl abrüsten müssen, bevor die Gesetzgeber zustimmen.